Versunkene Gräber - Roman
melden.«
»Die Vaterschaft ist anerkannt worden.« Zumindest hatte mir Mariechen das hoch und heilig versichert.
»Tatsächlich? Nun, auch in diesem Fall kann ich Ihnen keine Hoffnungen machen. Helmfried Hagen war mit Waltraud Camerer verheiratet. Aus dynastischen Gründen haben sie und die beiden gemeinsamen Kinder den Namen der mütterlichen Linie behalten. In Kreisen wie jenen der Camerers ist es zudem nicht unüblich, einen Ehevertrag abzuschließen. Nach dem Tod seiner Gattin haben die Kinder, Sabine und John, deren Vermögen geerbt. Aus diesem Kapital haben sie den Unterhalt des Vaters bestritten. Helmfried Hagen selbst war arm wie eine Kirchenmaus.«
»Woher hatte Horst Schwerdtfeger die dreißigtausend Euro, wenn nicht von seinem Vater? Nach Hagens Tod hat ein Treffen mit einem Anwalt stattgefunden. Das waren Sie.«
Wenn ich erwartet hätte, dass Cordt Sinter meine Vermutung bestätigen würde, sah ich mich getäuscht. Er hob fragend die Schultern und warf einen deutlichen Blick auf seine Armbanduhr.
»Es existiert kein Ehevertrag«, sagte ich.
Natürlich gab es einen. In solchen Familien lud man sich ohne anwaltlichen Rat noch nicht mal gegenseitig zum Abendessen ein. Diesen Vertrag galt es anzufechten, denn er kam einer faktischen Enterbung von Horst gleich. Zweite, aber unwahrscheinliche Annahme: Sollten der gute Helmfried und die brave Waltraud wirklich auf einen Vertrag verzichtet haben, wäre Horst noch vor seinem Tod Millionär gewesen. Egal, ich musste wissen, wie die rechtlichen Verhältnisse in dieser Ehe gewesen waren. Also bluffte ich, dass sich die Balken bogen.
Der Präventionsmeister erhob sich. »Ich werde den Fall vor das Erbschaftsgericht bringen.«
»Lassen Sie es. Das verursacht bloß Kosten und Ärger.«
»Über Ersteres brauchen sich meine Mandanten keine Sorgen zu machen.«
Ich stand ebenfalls auf. »Ich hätte Ihren Mandanten Zweiteres gerne erspart. Soweit ich weiß, hat Sabine Camerer nach dem Tod ihrer Mutter den Vorstandsvorsitz der Camerer AG und Co. KG übernommen. Außerdem ist sie Vorstand für Produktion und Materialwirtschaft.«
»Ja?«
»Das Kettenwerk in Pakistan … ist die Entscheidung bereits unter ihrer Führung gefallen?«
Sinter, schon fast an der Tür, verharrte. Sein freundliches, leicht herablassendes Lächeln bekam etwas Verkrampftes. Ich hatte meine Hausaufgaben gut gemacht.
»Fragen Sie in der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Camerer-Werke nach.«
»Ich frage Sie. Die Befürchtung einer Handvoll investigativer Journalisten, in diesem Werk würden nicht etwa harmlose Sägeketten, sondern auch Panzerteile hergestellt, konnte ja zerstreut werden. Das war gute Arbeit. Mein Kompliment.«
Er wartete ab, was als Nächstes käme. Jetzt war er wach. Jetzt hatte ich ihn.
»Das war das letzte Mal, dass Camerer in den Schlagzeilen war. Danach ist Ruhe eingekehrt, sieht man mal von Johns Hochzeit ab. Seine Schwester möchte bestimmt, dass es so bleibt.«
»Herr Vernau, ich suche nach der Drohung hinter Ihren Worten und kann sie nicht finden.«
»Da ist auch keine. Sie haben eine Zusammenarbeit abgelehnt. Frau Fellner hat morgen einen Termin mit dem Chefreporter eines großen Boulevardblattes. Vermutlich hat die Firma Camerer ihre PR-Strategie geändert und wird nichts gegen ein bisschen Presse einwenden. Im Großen und Ganzen wird es darum gehen, wie der Clan zu seinen verarmten unehelichen Kindern steht. Sie mit dreißigtausend Euro abspeisen und zur Hölle schicken. Polen sehen und sterben. Ich verspreche Ihnen, alle Namen werden richtig geschrieben.«
Ich nahm meine Tasche und wandte mich nun ebenfalls zum Gehen. Er öffnete die Tür – und schloss sie wieder.
»Ich muss Rücksprache halten«, sagte er.
»Kein Problem.«
»Was genau will Frau Fellner?«
»Den Pflichtteil ihres Halbbruders aus dem Erbe von Waltraud Camerer.«
Das war absurd. Ein anständiger Anwalt würde ablehnen und mich zum Teufel schicken. Aber wie in jedem guten Pokerspiel musste der Einsatz stimmen. Ich setzte Mariechen. Sie war mein Schlüssel zu den Camerers. Mit ihrer Hilfe – auch wenn sie noch gar nichts davon wusste – bekam ich Einblick in die Familienkonstruktion.
Ich siedelte den Streitwert dieses chancenlosen Prozesses angesichts eines vorsichtig geschätzten Familienvermögens zwischen zwanzig und sechzig Millionen Euro bei mindestens fünfhunderttausend an.
»Das ist ausgeschlossen«, sagte Sinter knapp.
»Es bleibt unsere
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