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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Forderung. Machen Sie uns ein Angebot.«
    »Ich brauche mehr Zeit. Frau Camerer ist auf Geschäftsreise. So schnell geht das nicht.«
    »Sie werden doch bis morgen Nachmittag eine Entscheidung darüber haben, ob wir in Verhandlungen treten oder nicht. Alles Weitere werden wir sehen.«
    »Eventuell. Richten Sie Frau Fellner bitte unser Beileid zu ihrem Verlust aus.«
    »Das werde ich. Das Gleiche bitte an Frau Camerer.«
    Ich wollte die Tür öffnen, aber da fragte er: »Gibt es schon etwas Neues bei den Ermittlungen?«
    »Leider nein. Sie können sich vorstellen, wie es ihr geht.«
    »Ja. Natürlich.« Sinter runzelte die Stirn, als dächte er gerade über die Eröffnung einer Trauerrede nach. Zweimal setzte er an und brach ab, als ob ihm die Worte fehlten. »Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um dieses schreckliche Verbrechen aufzuklären. Ja, Horst Schwerdtfeger war auch der Halbbruder von Sabine und John. Auch sie hat dieser Verlust getroffen. Ich habe immer dazu geraten, Tragödien dieses Ausmaßes nicht hinter hohen Mauern zu verarbeiten. Die Menschen wollen wissen, wer die Camerers sind. Auch Reiche haben Tränen. Bittere Tränen. Da findet man endlich den geliebten Bruder, und prompt reißt der Tod, jäh und brutal, die Geschwister auseinander.«
    Ich glaubte, ich hätte mich verhört. Auch Reiche haben Tränen? Seit wann das? Dann begriff ich, dass Cordt Sinter seine Strategie längst ausgetüftelt hatte. Wahrscheinlich lag sogar schon der ganze Artikel, der in den nächsten Tagen in genau derselben großen Boulevardzeitung erscheinen würde, fertig in einer Datei seines Computers bereit. Redaktionsgemacht wäre allenfalls noch die Schlagzeile. Todesfluch über Millionärsfamilie oder Familientragödie – Bruder ermordet, bevor Schwester ihn kennenlernen konnte. Die bitteren Tränen der Sabine Camerer und so weiter und so fort.
    Cordt Sinter verzog die schmalen Lippen zu einem angedeuteten, mitfühlenden Lächeln.
    »Das sind spät geweinte Tränen«, brachte ich schließlich hervor.
    Sinter nickte. Er ging zurück zum Konferenztisch, wo er seine Mappe liegen gelassen hatte, und öffnete sie. »In den nächsten Tagen wird dieses Foto erscheinen. Es sei denn, Frau Fellner erhebt Einspruch.«
    Er reichte mir die Aufnahme. Sie war grobkörnig und zeigte ein Straßencafé. »Kuchnia Marche« stand auf der Markise. Das war polnisch. Viele Plätze waren besetzt. Sinter legte seinen manikürten Zeigefinger auf einen Tisch gleich neben dem Eingang. Dort saßen Maria Fellner, Horst Schwerdtfeger und ein Mann, der dem Fotografen den Rücken zudrehte. Ich sah ihn nur von hinten, trotzdem wusste ich sofort, wer es war. Die Erkenntnis traf mich wie eine Faust in die Magengrube.
    Ich ließ das Bild sinken und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
    »Frau Fellner war mit ihrem Bruder in Polen?«
    »Am Tag seines Todes.«
    »Wer ist der Mann?«
    »Der Mann? Einen Moment, es gibt noch eine zweite Aufnahme.«
    Er ging zurück zum Tisch.
    »Warum wurde Horst Schwerdtfeger überwacht?«
    Sinter kam mit einem weiteren Foto zurück. »Das habe ich veranlasst. Es gab Grund zur Sorge, dass er sich seiner Familie gegenüber ebenso illoyal verhalten würde wie Frau Fellner.«
    »Sie meinen damit … das illoyale Verhalten von Horst Schwerdtfeger und Marie Fellner gegenüber den Camerers?«
    »Ich meine Leute, die nichts, aber auch gar nichts mit meinen Mandanten zu tun haben und trotzdem glauben, sie wären Kühe, die man ungestraft melken kann.«
    »Ungestraft?«, wiederholte ich. »Horst Schwerdtfeger wurde ermordet. Meinen Sie das?«
    Sinter lächelte. Verbindlich, offen, wie Menschenfreunde so lächeln, wenn Gossenpinscher wie wir ihnen an die Hosenbeine pinkeln.
    »Nein. Ich meine das hier.«
    Die Aufnahme zeigte den dritten Mann von vorne. Es war Jacek Zieliński.

22
    Die Wurzeln des Baumes ragten aus dem Wasser wie bleiche Hände. Gurgelnd und sprudelnd suchte der Fluss sich seinen Weg durch abgebrochene Äste und Treibholz, das sich in den runden Steinen verkeilt hatte und einen natürlichen Staudamm bildete. Der Wind warf Blätter aus den Baumkronen, die herabfielen wie Almosen in den Hut eines Bettlers.
    Marie-Luise zog die viel zu große Windjacke noch enger um sich. Wir saßen am Ufer der Oder. Vor uns der wilde Fluss und die dunklen Wälder. Hinter uns die Wegbiegung nach Janekpolana, Jaceks Weinberg und die osada , das alte Herrenhaus mit seiner Dependance. Das Dorf schmiegte sich weiter rechts an den Hang,

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