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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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es.«
    »Wer?«
    »Es ist derselbe Mann, den Jacek Zieliński dort in der Nacht von Samstag auf Sonntag überrascht hat. Zumindest führt er sich genauso irre auf, wie die Zeugen es beschrieben haben.«
    »Moment.« Ich hörte, wie eine raschelnde Decke zurückgeschlagen wurde und sie durch die Wohnung lief. »Es ist kurz nach drei Uhr morgens. Sind Sie nüchtern?«
    »Der Mann, der Horst Schwertfeger erschlagen hat, ich glaube, ich habe ihn gesehen. Er sucht etwas. Und das befindet sich in der Kapelle. Wenn die Polizei schnell ist, erwischt sie ihn vielleicht noch. Alarmieren Sie eine Streife. Lösen Sie eine Ringfahndung aus. Unternehmen Sie etwas, aber tun Sie es schnell.«
    Eine Kühlschranktür wurde geöffnet. Ich hörte, wie Flaschen klirrten.
    »Und wie soll ich das erklären? Dass mir der große Unbekannte in meinem Traum erschienen ist, während ich in Poznań, zwei Stunden von Janekpolana entfernt, im Bett liege?«
    »Machen Sie es anonym.«
    »Machen Sie es selber. Bis eine Streife kommt, ist der arme Mensch, den Sie dort zu Tode erschreckt haben, über alle Berge. Dobranoc – Gute Nacht . «
    »Nein!«, rief ich. Marie-Luise fuhr erschrocken zusammen. »Nicht auflegen, bitte. Ich bin diesem Mann eben begegnet. Ich war dort. Ich habe ihn gesehen. Ich …« Ich unterdrückte einen Fluch.
    »Ja?«
    »Ich musste verschwinden. Mein Messer liegt noch dort. Ich hatte ein Messer dabei. Zum Schutz.«
    »Das kann ich nicht glauben. Sie streifen um diese Uhrzeit über einen Tatort? Sie sind bewaffnet? Sie überraschen einen Mann, trampeln über den Friedhof und wollen, dass ich die Polizei alarmiere? Was, wenn es ein gläubiger Mensch war, den Sie in seiner Zwiesprache mit Gott gestört haben?«
    Ein Wegweiser tauchte auf und huschte, kaum dass ihn die Scheinwerfer erfasst hatten, vorüber . »Kostrzyn nad Odrą 24 km« stand darauf.
    »Zuzanna. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich gesehen habe. Schicken Sie eine Streife hin und lassen Sie den Mann festnehmen.«
    »Herr im Himmel. Mit welcher Begründung?«
    »Störung der Totenruhe. Vandalismus. Mordverdacht.«
    Ich hörte, wie sie eine Flasche an den Mund setzte und trank. Sie dachte nach. Ich wollte ihr keine Zeit zum Nachdenken geben. Es waren nur noch vierundzwanzig Kilometer bis Küstrin.
    »Herr Vernau«, begann sie. Sehr freundlich, zu freundlich. »Wo sind Sie gerade?«
    »Das tut nichts zur Sache.«
    »Was machen Sie um diese Uhrzeit in Janekpolana?«
    »Das tut …«
    »Geben Sie sie mir.«
    »Wen?«
    Marie-Luise drehte ruckartig den Kopf zu mir. Sie musste zumindest einen Teil von Zuzannas Worten verstanden haben.
    »Frau Hoffmann. Ich will mit ihr reden.«
    »Frau Hoffmann ist nicht in Polen.«
    Sie würde es in genau zehn Minuten auch nicht mehr sein, wenn wir weiter in diesem Tempo über die schmale Straße rasten. Ich legte einen Finger auf den Mund. Marie-Luise nahm es mit einem weiteren kurzen Seitenblick zur Kenntnis. Sie fuhr wie eine gesengte Sau.
    »Wenn Sie den Mörder von Horst Schwerdtfeger finden möchten, dann informieren Sie jetzt unverzüglich die Polizei.«
    »Ich bin die Anwältin des mutmaßlichen Mörders.«
    In diesem Moment machte Marie-Luise den Mund auf. Ich konnte nichts dagegen tun.
    »Hören Sie auf zu diskutieren!«, schrie sie. »Fangen Sie endlich diesen Wahnsinnigen! Er hat mich fast umgebracht, hören Sie? Er hat mich fast umgebracht!«
    »Geben Sie sie mir!«
    »Nein!«, schrie ich.
    Alles lief aus dem Ruder. Es war zu spät. Zum Auflegen, zum Marie-Luise-Würgen, für alles. Ich hörte, wie am anderen Ende eine Kühlschranktür so heftig zugeschlagen wurde, dass die Flaschen schepperten.
    »Das hat Konsequenzen!«
    »Die wird es haben.« Ich versuchte, wenigstens einen Rest von Ruhe zu bewahren. »Aber nicht für uns. Das verspreche ich Ihnen.«
    Ich legte auf. Marie-Luise hatte Tränen in den Augen, als sie mit neunzig Stundenkilometern eine Haarnadelkurve nahm. Ich wurde von einer auf die andere Seite geschleudert und hätte fast aufgeheult vor Schmerz. Mein Handy landete auf dem Boden.
    »Langsam! Marie-Luise! Fahr langsamer!«
    Sie trat das Gaspedal durch. Wir rasten durch eine geisterleere Ortschaft mit grauen Häusern und heruntergelassenen Fensterläden, die von zwei Straßenlaternen in depressives Gelb getaucht wurden. Wir passierten die einzige Kreuzung mit qualmenden Reifen. Ein Schlafwandler hätte keine Chance gehabt.
    »Fahr langsamer!«
    »Nein. In zehn Minuten ist höchstwahrscheinlich die Grenze

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