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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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beiden Männer vor ihnen blieben stehen. Einer wies auf den Boden. Dort lag ein Messer.
    »Das hatte Herr Vernau heute Nacht bei sich.«
    »Und es dann bei der Flucht vor dem Gespenst verloren?« Sobczak kaute mit einem amüsierten Grinsen.
    Einer der Kollegen steckte das Messer in eine Plastiktüte.
    »Ja. Da wir alle nicht an Geister glauben, würde es mich interessieren, wer sich dort gestern Nacht zu schaffen gemacht hat.«
    »Um Herrn Zieliński zu entlasten? Seine Freunde tun offenbar eine Menge für ihn. Vielleicht lassen sie es auch nachts ein bisschen spuken.«
    Zuzanna schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Herr Vernau und Frau Hoffmann sind beide Anwälte. Sie wissen, was es heißt, eine Ermittlung zu manipulieren.«
    »Hoffentlich.«
    Die Polizisten betraten die Kapelle. Einer drehte sich kurz zu ihnen um und machte eine abwehrende Handbewegung. Jetzt nicht, hieß das. Sie verließen den Trampelpfad und liefen einige Meter auf das Friedhofsgelände. Die Techniker lümmelten vor ihrem Wagen herum.
    »Herr Vernau war der Augenzeuge?«
    »Ja. Frau Hoffmann ist bei ihm. Ich gehe davon aus, dass sie die letzten beiden Tage drüben im Haus verbracht hat.«
    »Das werden wir uns gleich mal ansehen. Wo hält sie sich derzeit auf?«
    »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist sie längst in Berlin.«
    Sobczak nickte. »Dann werden wir sie bald haben.«
    Träum weiter. Du kennst Vernau nicht.
    Sie strich sich eine Haarsträhne zurück. Ihre Hand roch immer noch nach seinem Rasierwasser.
    »Wie kommt es eigentlich, dass der Anwalt von Frau Hoffmann Sie mitten in der Nacht angerufen hat?«
    »Er hat um Hilfe gebeten. Vernau spricht kein Polnisch. Wie sollte er den Kollegen klarmachen, was er auf diesem Friedhof gesehen hat?«
    »Hm. Ja. Was.«
    Der Staatsanwalt blickte sich um. Am frühen Morgen hatte es geregnet. Nicht viel, aber einige Tropfen lösten sich immer noch aus dem Blätterdach über ihnen. Die Spurensicherung würde sich freuen.
    »Ein merkwürdiger Ort«, sagte er. »Steht der Friedhof unter Denkmalschutz?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Einige der alten, fast vergessenen Gottesäcker in Polen wurden mittlerweile instand gesetzt. Dieser nicht. Ihr Blick verfing sich im dichten Spinnweb, das ein Steinkreuz eingehüllt hatte. Wassertropfen glitzerten in dem Netz. Wenn Sobczak vom Verfall rings um ihn herum berührt war, so ließ er sich das nicht anmerken. Sie fröstelte. Der Anblick der versunkenen Gräber machte sie traurig.
    »Den Heldentod fürs Vaterland.« Sobczak deutete auf einen durchgebrochenen Grabstein. Vaterland und Heldentod klangen aus seinem Mund sehr deutsch.
    »Er ist neunzehnhundertsiebzehn gestorben«, sagte sie und wies auf das Todesdatum. »Im Ersten Weltkrieg.«
    Der Staatsanwalt runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts. Sie steckte die Hände in die Taschen ihres Trenchcoats, sehnte sich nach einer Zigarette und einem Kaffee und fror. Sie waren hier, weil ein Pole einen Deutschen erschlagen hatte und sie den Polen als Anwältin vertrat. Dieses Verbrechen war noch nicht aufgeklärt, so weit war sie mittlerweile gekommen. Dass es sich bei dem Tatort ausgerechnet um einen vergessenen, uralten und fast im Erdreich versunkenen Friedhof handelte, hatte eine Bedeutung. Es konnte einfach kein Zufall sein, dass Horst Schwerdtfeger hier ums Leben gekommen war und nicht in dem Haus, das keine fünfzig Meter entfernt lag.
    Sie dachte an den Grundbuchauszug und daran, ob sie ihn Sobczak zeigen sollte. Wahrscheinlich ja. Aber nicht jetzt. Wenn sich herausstellen sollte, dass weitaus mehr Leute an der Tat beteiligt gewesen waren, konnte das für Jacek Zieliński von Vorteil sein.
    Der größere der beiden Polizisten erschien in der Kapellentür und nickte ihnen zu. Für den kurzen Rückweg musste Sobczak Zuzanna seinen Arm reichen – sie wäre mit ihren hohen Absätzen sonst gestolpert. Als sie angekommen waren, reichte man ihnen blaue Plastiküberzieher für die Schuhe. Während sie ihre überstreifte und dabei die Entscheidung verwünschte, an diesem Morgen ausgerechnet nach einem Paar Pumps gegriffen zu haben, ging Sobczak vor. Sie folgte ihm.
    Drinnen war es erstaunlicherweise wärmer als draußen. Der Geruch von feuchtem Staub und Moder stieg ihr in die Nase. Der Raum war keine zwanzig Meter lang und vielleicht acht Meter breit. Auf dem Boden lagen alte, abgetretene Steinfliesen. Grober Putz verschwand unter dicken Schichten weißer Farbe, hier und da aufgesprengt von glitzernden

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