Versunkene Gräber - Roman
Salpeterblüten. Wo er abgefallen war, rieselte sandiger Mörtel aus den Fugen zwischen den Ziegelsteinen.
Am Ende des Raumes stand ein steinerner, schlichter Altar, zu dem eine Stufe führte. Der zweite Polizist war in die Knie gegangen und begutachtete eine schwere Steinplatte, die beinahe fugenlos in den Boden eingelassen war.
»Hier scheint ein Zugang zu einem Kellerraum zu sein«, sagte der erste zu Sobczak. Es ärgerte Zuzanna, dass die beiden sie offenbar gar nicht wahrnahmen. »Wir brauchen ein Brecheisen.«
»Dann holen Sie eins«, sagte der Staatsanwalt. »Und fragen Sie die Herrschaften draußen, ob sie die Güte hätten, sich uns anzuschließen.« Der Mann nickte und ging hinaus. Sobczak wandte sich an den knienden Kollegen. »Und?«
»Hier hat jemand versucht, in die Fugen zu kommen und diese Platte aufzuhebeln. Es gab mal einen Griff. Damit wäre es ein Kinderspiel gewesen.«
Er deutete auf Vertiefungen in der Platte. An einer Stelle war ein längliches Loch. Vielleicht ein Schlüsselloch.
»Wann?«
»Nach dem Abrieb und den frischen Kratzern zu urteilen, vor Kurzem.«
»Gestern Nacht?«, fragte Zuzanna.
Der Mann, ein schlanker Enddreißiger mit einem blonden Schnurrbart – wer trägt eigentlich in diesem Jahrhundert noch Schnurrbärte?, fragte sie sich –, blickte sie kurz an, gab die Antwort aber seinem Vorgesetzten.
»Gemach, gemach. Die haben ja noch gar nicht angefangen.«
Der Blonde stand auf und streckte sich. Seine Bewegungen waren langsam.
Er würde mich in den Wahnsinn treiben.
Zuzanna begann den Raum abzuschreiten. Den Blick am Boden, die Nichtachtung des Polizisten im Rücken. Sie fand nichts. Am Eingang stieß sie fast mit den Technikern zusammen. Einer wich ihr unsicher aus und ließ sie vor. Sie trat hinaus ins Freie, verließ den Friedhof, schlängelte sich durch das Eingangstor und zündete sich eine Zigarette an.
Sei nicht so empfindlich. Du hast hier eigentlich nichts zu suchen. Sei froh, dass Sobczak dich nicht gleich nach Hause geschickt hat.
Sie hörte, wie in der Kapelle das Brecheisen hinfiel und jemand fluchte. Dann war es eine Weile still. Sie betrachtete das Haus. Hübsch, aber zu groß für einen allein, dachte sie. Mal sehen, was wir dort noch von Frau Hoffmann finden. Sie war neugierig, und sie wusste, dass das unprofessionell war.
Hinter dem Haus erhob sich ein Hügel. Wein wuchs auf den Terrassen. Sie fragte sich, ob das Jacek Zielińskis Werk war. Es sah ordentlich und irgendwie auch vielversprechend aus. Sie stellte sich vor, wie der Pirat die Weinreben gepflanzt, beschnitten und gehegt hatte. Sie wartete darauf, es lächerlich zu finden. Doch es war ein Bild, das zu ihm passte. Wein. Hanglage. Harte Arbeit, aber guter Lohn. Es würde ein schwerer Rotwein sein. Dunkel wie die Nacht und mit einem Duft nach Harz, Efeu und Brombeeren. Er würde auf der Zunge explodieren.
Die Reste eines Lagerfeuers malten einen schwarzen Kreis auf die helle, festgetretene Erde. Der Gedanke an die knisternden Flammen und zwei Menschen, die die Nacht gemeinsam mit einer Flasche Wein damit verbrachten, die Geister zu vertreiben, weckte eine leise, ziehende Sehnsucht. Sie wünschte sich, jemanden zu haben, der für sie ein Feuer entzündete. Der Holz schlug und die Glut schürte, an dessen Seite sie den Schatten der Nacht trotzen konnte.
Jetzt ist es aber gut. Dieser Fall wird langsam persönlicher, als er jemals hätte werden dürfen . Kümmere dich nicht um die Asche. Kümmere dich um das, was darunter verborgen liegt.
Hinter dem Hauptgebäude stand ein Häuschen. Es sah unbewohnt und verfallen aus. Doch im oberen Stock war das Fenster geöffnet, und eine Gardine bewegte sich. War es der Morgenwind, der mit ihr spielte? Sie fragte sich, wer dort wohnte. Vielleicht war es ein Zeuge. Hatte die Polizei ihn vernommen? In den Kopien der Protokolle war dieses Haus nicht erwähnt worden.
Zuzanna ging über den Hof, vorbei an dem einstmals prächtigen Herrenhaus, und hielt auf die Kate zu. So klein, so geduckt … wahrscheinlich für die Verwalter oder höhere Dienstboten. Deputantenhaus nannte man das. Früher hatten die Junker dort die Kutscher untergebracht, den Schmied oder den Stellmacher. Mamsell, Kindermädchen, Hofmeister und Hauslehrer lebten meist mit der Herrschaft unter einem Dach. Obwohl …
Sie drehte sich noch einmal zum Haupthaus um. Es war zu klein für einen solchen Personalaufwand. Kein Schloss, kein Jagdsitz, eher eine große, alte Villa, eine von
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