Versunkene Inseln
den Kopf ein wenig zurück, legte mir die Hände auf die Schultern und ließ sie dann an meinem Körper entlanggleiten, bis sie die Brüste umfaßten.
„Erinnerst du dich an Venedig?“ sagte er weich.
Ich nickte. Natürlich erinnerte ich mich an Venedig, auch wenn ich nie wieder dort gewesen war seit jenem einen Ausflug mit ihm, vor der Flutung. Seine Lippen kamen wieder heran, streichelten meine, und seine Hände glitten auf meinen Rücken und drückten mich enger an ihn. Dann, ganz sanft, trug er mich zum Bett, zog mir die Decke über die Schultern, schlüpfte neben mich und nahm mich in die Arme. Ich schlief ein, halb davon überzeugt zu träumen.
Und am Morgen war er noch immer da, als der Sonnenschein durch das bunte Glas der nach Osten gelegenen Fenster sickerte und mich weckte. Ich drehte mich um, spürte seinen Arm, seinen Rücken, schlug die Augen auf, starrte ihn an und erinnerte mich an den Abend zuvor. Er erwachte, rollte sich herum, lächelte mich an und legte mir die Hand auf die Brust.
„Weißt du, was du da tust?“ fragte ich.
Er schenkte mir ein bestätigendes Lächeln und liebkoste mich weiter, bis ich eine Erregung in mir spürte, die ich seit langer Zeit verloren und abgestorben glaubte, begraben unter den Schichten meines Dahinwelkens. Erstaunt berührte ich seinen Körper, fühlte seine Erektion, die weiche Wölbung seinen Rückens, die straffe Begierde seiner Hinterbacken, als er etwas in die Höhe kam und in mich eindrang. Die übriggebliebene Schwäche und die Äonen seit meinem letzten Geschlechtsakt machten mich unbeholfen. Ich konnte mich seinem Rhythmus nicht anpassen, aber er bewegte sich für uns beide, und mein Körper reagierte überraschend intensiv. Die Ekstase des Höhepunkts glitt durch jene Bereiche, die erst vor wenigen Stunden in heftiger Qual erglüht waren, und sie schweißte alles wieder zusammen. Paul war ein sanfter Liebhaber; er nahm sich Zeit, bewegte sich langsam, schrieb mir mit der Zunge meinen Namen ins Ohr. Und als er kam, hielt ich ihn ganz fest und wiegte ihn auf dem Bett. Die Heftigkeit seines Orgasmus und seine Schreie steigerten meine Erregung rasch wieder und ließen die Ekstase in mich zurückfluten. Argwöhnisch selbst im Entzücken rätselte ich über das Warum – ob er einfach nur mit irgend jemandem hatte schlafen wollen und in seiner Notlage selbst mit mir vorlieb nahm, oder ob er mit jemandem gewettet hatte, mit Jenny vielleicht. Aber er blieb auch jetzt über mir und schenkte mir ein so strahlendes Lächeln, daß mein Mißtrauen dahinschmolz wie Schnee in der Sonne und ich sein Lächeln erwiderte. Nach einer Weile liebten wir uns erneut. Diesmal warfen wir die Decke zu Boden, und auf dem Bett schlangen sich zwei nackte und unbedeckte Körper ineinander. Und als ich erneut den Höhepunkt erreichte, fühlte ich mich wieder jung, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen, zum erstenmal seit fünfzig Jahren.
15
Vor fünfzig Jahren besaß ich Venedig. Zumindest glaubte ich das. Die Große Formung hatte auch vor den sumpfigen Überbleibseln dieser Stadt nicht haltgemacht und sie vereinnahmt, aber sie war unter den nun wieder sauberen und kristallklaren Wassern der Adria wieder aufgebaut worden. Silberreine Fluten schimmerten über der uralten Stadt. Wiederaufgebaute Paläste funkelten in ihren schützenden Ergblasen. Fische huschten über die Piazze, glitten an Kristallfenstern vorbei und sausten an den Säulen und Mauern der restaurierten Ruinen entlang. In Ergblasen gehüllte Besucher bewegten sich wie in einem Traum gefangen, dahinkriechende Lichter. Venedig. Paul und ich verließen die Transportröhre und schlüpften in die Nässe des Meeres, tief hinein in das Gold und Blau und Scharlachrot, in die
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