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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Irr­gär­ten aus Stein und Sanft­heit, in den Bro­kat, Mar­mor, Samt, Gra­nit und Schlick. Das Kind, das ich da­mals war, at­me­te tief durch, da­von über­zeugt, daß die Luft aus ei­ner an­de­ren Epo­che stamm­te, die Düf­te und Aro­men Er­in­ne­run­gen an ver­gan­ge­ne Zeit­al­ter wa­ren. Ich hielt Pauls Hand, hüpf­te mit vor Ehr­furcht großen Au­gen durch die Kor­ri­do­re, und mein hel­les La­chen perl­te durch die hel­le und schil­lern­de Stadt. Die Hin­weis­bän­der be­haup­te­ten, Ve­ne­dig sei ei­ne schmut­zi­ge Stadt ge­we­sen, aber das glaub­te ich nicht. Wir tanz­ten mit den Fi­schen im Son­nen­schein; wir aßen und tran­ken in Zim­mern, in de­nen noch im­mer die Mu­sik von an­de­ren Stim­men und an­de­ren Epo­chen wi­der­hall­te. Ich kauf­te mir einen pflau­men­far­be­nen Um­hang und einen wei­ßen Kra­gen, und Paul er­stand einen Fe­der­hut. Zu­sam­men stol­zier­ten wir durch re­kon­stru­ier­te Hal­len, spiel­ten Do­ge und Hof­da­me, bis wir uns ge­gen­sei­tig in die Ar­me fie­len, nach Luft schnapp­ten und ei­ne stil­le Ecke such­ten, um uns zu lie­ben. Wir fan­den ei­ne Spie­gel­kam­mer, und ich se­he noch im­mer ganz deut­lich ein jun­ges Mäd­chen mit wo­gen­dem, kas­ta­ni­en­brau­nem Haar und ei­nem wohl­ge­form­ten, bron­ze­far­be­nen Kör­per, nur ge­klei­det in einen wei­ten Um­hang und Hals­kra­gen. An­mu­tig tanz­te es mit sei­nem ei­ge­nen Spie­gel­bild, ne­ben der schlan­ken Pracht, die Paul war, die er heu­te noch ist. Ich glau­be, wir wa­ren bis über bei­de Oh­ren ver­liebt, in uns selbst, in uns bei­de, in die Kris­tal­le, in Ve­ne­dig.
    Von Ve­ne­dig aus kehr­te ich nach Süd­afri­ka zu­rück, und das Spie­gel­bild ver­blaß­te.
    Jetzt, gan­ze Zeit­al­ter spä­ter, als ich mit Paul in ei­nem al­ter­tüm­li­chen Bett lag und auf den Pa­zi­fik hin­aus­blick­te, focht ich er­neut die­sen bit­te­ren Kampf aus. Das ist Paul, sag­te ich mir, der glei­che Paul, der mit mir in ei­nem Raum aus Kris­tal­len tanz­te, der mit mir durch mar­mor­ne Tor­bö­gen sprang. Wer er­in­nert sich noch an das ver­ges­se­ne Kind, die Tia, die einst war? Wer lieb­te je­nes Kind? Ja, ge­wiß: Paul. Aber konn­te er auch das lie­ben, was aus die­sem Mäd­chen ge­wor­den war? Ich rief mir die In­ten­si­tät sei­ner Er­re­gung ins Ge­dächt­nis zu­rück, mit der er in mich ein­ge­drun­gen war, und ich frag­te mich, ob er mit der Tia von da­mals oder der von heu­te ge­schla­fen hat­te. Und wenn mit der Tia von heu­te, warum? Ei­ne Fra­ge führ­te zur an­de­ren und die wie­der zu ei­ner an­de­ren, und ich woll­te ih­ren hal­len­den Echos nicht lau­schen, ver­bann­te sie in die dun­kels­ten Ver­lie­se mei­nes Geis­tes und ver­rie­gel­te die Ker­ker­tü­ren hin­ter ih­nen. Laß dich nicht von Arg­wohn in­fi­zie­ren, wies ich mich an. Zweifle nicht. Gib dich ein­fach hin. Und ich gab mich hin.
     

16
     
    „Hal­lo, Klei­ne. Ein biß­chen Zaun­gast spie­len, was?“
    Ich dreh­te mich rasch um, wand­te mein Ge­sicht dem hei­ßen aus­tra­li­schen Wüs­ten­wind zu und starr­te in der grel­len Son­ne auf die Ge­stalt, die hin­ter mir auf­ge­taucht war. Die Stim­me hat­te ganz und gar nicht freund­lich ge­klun­gen.
    „Nein. Ei­gent­lich nicht.“
    Die Ge­stalt gab einen zwei­feln­den Laut von sich. Wer im­mer es auch war, er stand di­rekt vor der un­ter­ge­hen­den Son­ne, und ich konn­te kaum die Kon­tu­ren er­ken­nen. Die Ge­stalt schi­en mich an­zu­star­ren, und ich duck­te mich un­will­kür­lich, hob die Ar­me und leg­te die Hän­de auf die Schul­tern.
    „Dann bist du al­so ei­ne von uns“, stell­te die Stim­me fest und lach­te. „Wun­der­bar, Klei­ne, echt stark. Al­so komm mit. Es bringt nichts, wenn du dich hier bra­ten läßt.“ Die Ge­stalt be­weg­te sich, griff mei­ne Ta­sche und schritt auf den Ter­mi­nal zu. Ich zö­ger­te einen Au­gen­blick, dann folg­te ich und ver­such­te, mir den Sand aus den Au­gen zu rei­ben.
    Aus­tra­li­en, Land des schwar­zen Man­nes, der Schat­ten, Ge­rüch­te und Furcht. Die Hei­mat der Aus­ge­sto­ße­nen und des Ent­set­zens. Un­s­terb­li­che schil­der­ten flüs­ternd sei­ne Schre­cken, und Kin­der nann­ten

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