Versunkene Inseln
sich auf die Lippe. Erneut folgte Stille.
„Wie lange waren Sie mit Paul zusammen?“ fragte ich, und zu meiner Befriedigung zeigte ihr Gesicht einen unbehaglichen Ausdruck.
„Etwa drei Jahre.“
„Tatsächlich? Und gefiel er Ihnen?“
Sie schüttelte den Kopf, eher verwirrt als verneinend. „Paul ist … eigenartig“, sagte sie langsam. „Nein, er gefiel mir nicht, nicht immer. Ich glaube, ich verstehe ihn jetzt besser.“
„Sind Sie ihm noch immer böse?“
„Weswegen?“
„Meinetwegen.“
Erneut das verwirrte Kopf schütteln, und ihre Augenlider zitterten nervös. „Ich weiß nicht, ich bin nicht sicher. Ich bin, äh, die Dinge … alles verändert sich so rasch. Ich weiß überhaupt nichts mehr.“ Jennys Schultern bebten plötzlich einen Augenblick. „Paul hat Alpträume.“
„Alpträume? Von welcher Art?“
Aber sie hatte sich bereits erhoben. „Entschuldigen Sie, aber ich habe Tobias versprochen, rechtzeitig vor dem Essen zurück zu sein. Ich muß jetzt wirklich gehen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.“
„Keine Ursache“, sagte ich. „Kommen Sie ruhig wieder.“ Jenny beugte sich abrupt vor, strich mir mit den Fingerspitzen über die Wange und stürmte wie der Blitz die Treppe hinunter. Ich blieb allein zurück und blickte ihr verblüfft nach.
26
„Ja, aber ist er sicher?“ fragte Paul zum vierten Mal an diesem Nachmittag.
Ich schimpfte mich selbst einen Dummkopf und legte die Einzelteile meines Naßanzugs fort, die auf dem vielfarbenen Mosaikboden der ersten Ebene der Tauchkammer verstreut lagen. „Wenn man auch nur einen Hauch von Verstand besitzt und ihn benutzt, dann ist er so sicher wie eine Ergkapsel“, entgegnete ich erneut.
Er nickte kurz, noch immer skeptisch, und betastete die Tauchermaske, bevor er sie mir reichte. „Sehen wir uns jetzt auch die Ergkapseln an?“
Thema abgeschlossen. Aus irgendeinem Grund hatte ich gehofft, ihn dazu überreden zu können, mit mir im Naßanzug zu tauchen. Doch er hatte daraufhin nur einen unüberwindlichen Mangel an Interesse gezeigt, der einherging mit der hartnäckigen Weigerung, meinen wiederholten Versicherungen zu vertrauen, das Tauchen im Naßanzug käme keinem Todesurteil gleich. Nun, der erste Tauchgang stand in zwei Tagen an. Jenny, Tobias und er würden in Ergkapseln runtergehen und ich in meinem Naßanzug. In Ordnung. Meinetwegen. Ich verstaute meine restlichen Ausrüstungsgegenstände im Spindspeicher, preßte die Lippen fest aufeinander und führte ihn am kreisförmigen Rand der ersten Ebene entlang zu den Ergkapseln.
„Du hast schon mal eine davon benutzt“, begann ich und wartete auf sein Nicken. „Also gut: Hier sind die Energiepakete. Du wirst bemerken, daß sie sich ein wenig von denen unterscheiden, die du kennst – sie haben eine größere Leistungsfähigkeit, um den Druck der größeren Tiefe auszugleichen, in die du dich begibst. Luftaufbereiter, Funkgeräte, Stabilisierer, damit du nicht einfach davontrudelst. Das Triebwerk funktioniert unabhängig vom Hauptgenerator – ein leicht verändertes Standardmodell. Die Projektoren des Abschirmfeldes befinden sich hier und hier, im Gürtel. Der Mittelpunkt des Feldes ist also auch genau das Zentrum deines Körpers, so daß der Rand des Schirms immer die gleiche Entfernung zu dir aufweist. Denk daran, daß du keine Artefakte mehr anfassen kannst, sobald das Feld eingeschaltet ist. Die Kontrollen für die Servos befinden sich hier, in den Armbändern: Sicht und Akustik rechts, Bewegung links – du wirst nach fünf Minuten Übung bestens mit ihnen klarkommen, sie sind ziemlich einfach zu bedienen. Der Beobachtungsschirm ist am Gürtel befestigt. So. Die
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