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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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biß­chen Mit­leid mit mir. Ich ver­dräng­te die­sen Ge­dan­ken. Schließ­lich wa­ren es nicht in ers­ter Li­nie Pauls Ge­füh­le, die hier ei­ne Rol­le spiel­ten, als viel­mehr die mei­nen, ver­si­cher­te ich mir. Und die­se Ver­si­che­rung selbst war ein si­che­rer Be­weis für feh­len­de Lie­be. Paul war mein letz­ter Son­nen­schein, mein letz­ter Hap­pen von et­was, das dem Nor­ma­len na­he­kam, das fast mit Freu­de oder Ver­gnü­gen zu um­schrei­ben war. Oder er war viel­leicht auch nur Mit­tel zur Be­frie­di­gung ei­nes kör­per­li­chen Be­dürf­nis­ses. Vor Paul hat­te ich sie­ben Jah­re lang in Ent­halt­sam­keit ge­lebt und er­war­tet, auch den Rest mei­nes kur­z­en Le­bens so ver­brin­gen zu müs­sen. Und al­lein das, so sag­te ich mir, war Grund ge­nug, den un­ge­lin­der­ten Schmerz über die von Be­ni­to er­wähn­te An­ders­ar­tig­keit zu ver­drän­gen, das im­mer noch so quä­len­de Be­wußt­sein mei­ner Miß­bil­dung und des un­ver­meid­li­chen To­des. Denn die­ses Wis­sen und die Qual wür­den ih­ren Tri­but for­dern in Form von schlaflo­sen Näch­ten und Ta­gen vol­ler Ein­sam­keit in­mit­ten vie­ler Men­schen. Im Lau­fe der Jah­re moch­ten mich noch vie­le Mög­lich­kei­ten er­war­ten, für die Sün­de mei­ner Ein­zig­ar­tig­keit zu be­zah­len, hun­dert Ge­le­gen­hei­ten zur Bu­ße und zum Be­dau­ern. Doch jetzt noch nicht. Noch war es zu früh.
    Die Son­nen­strah­len fie­len nun fast ho­ri­zon­tal in die run­de Kam­mer ein; ich band mein Haar fes­ter im Nacken zu­sam­men und ging in die Mes­se.
    Be­ni­to saß am einen En­de des ova­len Ti­sches, und Paul hat­te ihm ge­gen­über und ein we­nig seit­lich ver­setzt Platz ge­nom­men. Ne­ben je­dem von ih­nen war ein Ses­sel frei. Oh­ne zu zö­gern durch­quer­te ich das Zim­mer mit dem ge­mus­ter­ten Ka­chel­bo­den und ließ mich ne­ben Paul nie­der. Be­ni­to wür­dig­te mich kei­nes Blickes.
     

25
     
    Fünf Ta­ge vom Fest­land ent­fernt. Das tie­fe Ru­mo­ren der Ge­ne­ra­to­ren im Bauch des Schif­fes sag­te mir, daß wir den Kurs än­der­ten, und ich setz­te mich auf ei­nem Sims mei­nes Mi­na­retts und be­ob­ach­te­te, wie der Bug der Ili­um große Drei­e­cke aus Gischt ins Meer schnitt. Paul hat­te in mei­ner per­sön­li­chen Bi­blio­thek ein Buch über Yo­ga ent­deckt, saß nun in sei­ner Ka­bi­ne und ver­such­te, sei­ne Bei­ne zu ver­kno­ten. To­bi­as hat­te sich ent­schlos­sen, den Tag im Mu­se­um zu ver­brin­gen, und Har­kness und Gre­ville dis­ku­tier­ten vor der Ho­lo­kar­te auf der Brücke. Es gab nur einen Ort, an dem ich si­cher sein konn­te, nicht ge­stört zu wer­den. Und dort hock­te ich nun, hoch über dem Flug­deck, auf der da­von ab­ge­wand­ten Sei­te des Mi­na­retts. Mei­ne Bei­ne bau­mel­ten zwi­schen den Stan­gen des schmie­de­ei­ser­nen Ge­län­ders, und un­ter mir rausch­te die weiß­ge­fleck­te See.
    „Ähem, Ent­schul­di­gung.“
    Ich wand­te mich um und schiel­te zu Jen­ny hin­auf. Sie stand na­he der Wand, mit her­ab­hän­gen­den Ar­men. Die Hän­de la­gen auf ih­ren ge­bräun­ten Ober­schen­keln. „Darf ich mich zu Ih­nen set­zen?“
    „Na­tür­lich.“ Ich deu­te­te auf den Sims; sie nahm vor­sich­tig Platz und wi­ckel­te die Bei­ne um ei­ne der Ge­län­der Stan­gen. Dann um­faß­te sie die Ba­lus­tra­de, beug­te sich vor, blick­te auf das wo­gen­de Blau un­ter uns hin­ab, schnapp­te plötz­lich nach Luft und deu­te­te hin­aus.
    „Se­hen Sie nur! Was ist das?“
    Ich blick­te zum Bug hin­über, wo glat­te, dunkle Lei­ber im­mer wie­der aus dem Was­ser schnell­ten.
    „Del­phi­ne. Sie schwim­men oft mit uns, nur zum Ver­gnü­gen, wie es scheint.“
    „Ich ha­be ein­mal in ei­nem al­ten Buch ge­le­sen, daß sie in­tel­li­gent sind und mit ih­res­glei­chen spre­chen.“
    Ich zuck­te mit den Ach­seln. „Ja, und wahr­schein­lich trifft das auch auf die Wa­le zu. Aber wäh­rend der For­mung kam die For­schung auf die­sem Ge­biet zum Er­lie­gen, und nie­mand hat sie wie­der auf­ge­nom­men.“
    „Scha­de“, sag­te sie und lehn­te sich zu­rück, so daß ihr Ge­sicht voll der Son­ne aus­ge­setzt war. Ihr dich­tes, schwar­zes Haar wog­te über

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