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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Brüs­ten, Tia?“
    „HALTS MAUL!“
    „Er läßt die Ker­ze noch ein biß­chen bren­nen, was?“
    „Halt dei­ne ver­damm­te Fres­se!“ schrie ich und warf die schwe­re Tür hin­ter mir zu. Durch die di­cke Tä­fe­lung konn­te ich wi­der­hal­len­de Ru­fe hö­ren, aber ob es wei­te­re Be­schimp­fun­gen von Be­ni­to wa­ren oder nur die Echos un­se­rer Schreie, konn­te ich nicht sa­gen.
    Ich zwang mich da­zu, lang­sam durch die Kor­ri­do­re der Ili­um zu ge­hen. Ich schweb­te durch Lift­röh­ren hin­auf, schritt durch ge­wölb­te Ko­lon­na­den und klet­ter­te ar­chai­sche Wen­del­trep­pen em­por, die sich an die Flan­ke des Schif­fes schmieg­ten. Schließ­lich er­reich­te ich ei­nes der lee­ren Mi­na­ret­te. Die zwie­bel­för­mi­ge Kris­tall­kam­mer ganz oben wür­de zur Astro­na­vi­ga­ti­on be­nutzt wer­den, doch jetzt war sie leer und still und ver­las­sen. Ich sah aus dem Fens­ter und be­trach­te­te den Schaum, der hin­ter dem Heck des Schif­fes zu­rück­b­lieb, rechts von mir. Wir lie­fen lang­sam nach Süd­wes­ten und schie­nen die Wel­len­haut des Mee­res kaum zu be­rüh­ren. Das letz­te Land war vor Ta­gen über den Rand der Welt hin­aus­ge­kippt. Wir hät­ten mit dem gan­zen Schiff auf­stei­gen und ei­ne Stun­de nach dem Aus­lau­fen über den In­seln sein kön­nen, aber es gab kei­ne Ei­le – es gab nie­mals Ei­le an Bord ei­nes Schif­fes, das ei­ne gan­ze Ewig­keit ver­schwen­den konn­te. Und so er­streck­te sich vor und hin­ter uns das Meer; Schaum gleiß­te im Kiel­was­ser, und die Abend­son­ne ließ Bal­ken aus Licht durch die Bunt­glas­fens­ter hin­ter mir trop­fen und spren­kel­te den mar­mor­nen Bo­den mit sat­ten Rottö­nen. Der Wind war warm und an­ge­nehm.
    „Bist du in ihn ver­liebt, Tia?“ Ver­liebt? In Paul? Nein, na­tür­lich nicht. Nicht das Atem­sto­cken und Feh­len von Wor­ten, nicht die plötz­li­che Eu­pho­rie in den Ge­dan­ken, nicht die durch die Adern schäu­men­de, blen­den­de Hit­ze, die ich mit Greg er­lebt hat­te. Si­cher, es gab ei­ne Ge­mein­sam­keit in bei­den Fäl­len: Bei kei­nem von bei­den hat­te ich in mei­nem Her­zen die quä­len­de Sehn­sucht emp­fun­den, wenn mein Ge­lieb­ter nicht bei mir war, die Lee­re, die mit der Tren­nung ein­her­geht. Aber bei Greg hat­te mich, ab­ge­se­hen von je­nen letz­ten Mo­na­ten, ei­ne tie­fe Ru­he er­füllt, ei­ne ab­so­lu­te Ge­wiß­heit der Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit, das Wis­sen, daß die Tren­nun­gen, wie kurz oder lang sie auch sein moch­ten, nur vor­über­ge­hend wa­ren, daß un­se­re Her­zen und See­len ei­ne fes­te Ein­heit bil­de­ten. Es be­stand kein Grund zu Un­ru­he oder Furcht. Und bei Paul war die­se Ru­he nur ein Re­sul­tat von, nun, wenn nicht Gleich­gül­tig­keit, so doch zu­min­dest ei­ner nicht tief­ge­hen­den Lei­den­schaft. Ich hat­te Greg ge­liebt, ihn ge­braucht, und das Ver­lan­gen nach ihm hat­te mir kei­ne Schmer­zen be­rei­tet. Paul lieb­te ich nicht – wie kann man auch einen Frem­den lie­ben? Und des­halb exis­tier­te das Ver­lan­gen nach ihm auch nicht.
    Doch ich hand­hab­te die­se Si­tua­ti­on nicht, in­dem ich sie mit ei­nem Ach­sel­zu­cken ab­tat, in­dem ich die Emp­fin­dun­gen fein säu­ber­lich eti­ket­tier­te und ab­leg­te und hoff­te, sie wür­den sich dann or­dent­lich be­tra­gen und mir kei­ne Schwie­rig­kei­ten mehr ma­chen. In die­ser selt­sa­men Be­zie­hung gab es ei­ni­ge Sehn­süch­te und Wün­sche, die ich vor lan­ger Zeit hef­tig be­kämpft hat­te und die ich heu­te noch mehr als da­mals fürch­te­te. Warum schlief Paul mit mir? Warum be­gehr­te er mich? Schlich­te, phy­si­sche An­zie­hungs­kraft konn­te nicht der An­laß sein für sei­ne nächt­li­chen Be­gier­den, wenn man so wie er von der phy­si­schen At­trak­ti­vi­tät ei­ner Jen­ny oder Lon­nie um­ge­ben war, oder, was das be­traf, auch der von To­bi­as. Düs­te­re Me­lan­cho­lie schi­en hin­ter die­sen bei­den Fra­gen zu lau­ern; ich wich ih­nen aus, und als ich mir die schlich­te Ant­wort gab, wuß­te ich, daß das Pro­blem den­noch nicht ge­rin­ger wur­de: Paul moch­te mich ein­fach – er er­in­ner­te sich an Ve­ne­dig, und viel­leicht hat­te er auch ein

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