Versunkene Inseln
goldenen Elektroden, die die Ergblase erzeugten und stabilisierten. Auf dem glatten, vielfarbenen Boden neben ihnen lagen die zinnoberroten Gerätebündel. Die glatten, festen und gebräunten Körper leuchteten durch die sich überkreuzenden Kabel und Textilgurte. Im Vergleich zu ihnen wirkte ich noch mehr wie ein Troglodyt, der in schwarzes Gummi gehüllt war. Die Tanks auf meinem Rücken waren wie eine Karikatur von Benitos Buckel. Schläuche ringelten sich über meine Schulter, und an der Taille trug ich einen Bleigürtel und verschiedene Ausrüstungsgegenstände. Jenny musterte mich aus den Augenwinkeln, und ich widerstand der Versuchung, einfach die Sichtscheibe meiner Tauchermaske zuzuklappen.
Zwanzig Minuten krochen dahin, bis Tobias und ich überprüft waren, dann gab der Interkom ein gedämpftes Keuchen von sich.
„Ihr seid bereit für den ersten Tauchgang, Freunde“, meldete sich Greville von der Brücke. „Über die Sicherheitsvorschriften sind Sie alle instruiert worden, darauf brauche ich also nicht noch einmal hinzuweisen. Ja. Ähem. Tobias wird als erster tauchen, dann Paul, dann Jenny, und Tia macht den Abschluß. Die Servos befinden sich bereits unter Wasser und warten auf Sie. Seien Sie vorsichtig. In Ordnung.“
Tobias ließ sich über den Rand des Tauchschachtes sinken, und als er ins Wasser glitt, formte sich die Ergblase um ihn herum. Einen Augenblick lang verharrte er, damit sich das Kraftfeld über seinem Kopf schloß, dann rutschte er ganz hinein, trieb zur Seite und bedeutete Paul, ihm zu folgen. Ich schaltete meinen Funkempfänger an, damit ich ihn hören konnte.
„Langsam“, sagte Tobias. „Zuerst die Füße, dann einen Augenblick warten, und jetzt den Aktivierer betätigen. Langsam. Gut. Komm weiter. Warte, bis sich das Feld ganz aufgebaut hat. In Ordnung. Und nun tauche ganz ein. Nimm dir Zeit.“
Paul blickte hoch, und sein Lächeln durchdrang die beiden Schichten aus Wasser und Energie. Ich antwortete ihm mit einem Nicken, dann glitt Jenny ins Wasser, ganz gelassen, als sei sie schon unzählige Male zuvor getaucht. Als die drei Unsterblichen aus dem Schacht heraus waren, schloß ich die Tauchermaske, drehte das Ventil der Tanks auf und sprang in die Kühle des Ozeans hinein.
Das Meer machte mir Platz, preßte sich an das Schwarz meiner vermeintlichen Haut, hob mich an und neutralisierte das Gewicht des Bleigürtels, der an meiner Taille befestigt war. Ich trat mit den Beinen, und der Schub der Flossen stieß mich tiefer hinab. Ich spürte, wie der erste Druck auf Bauch und Beine nachließ – eine stumme Billigung des Ozeans. Das All und das Meer haben viel gemeinsam: Beides ist uns fremd, nicht unser Element. Beide konfrontieren uns mit Mysterien und Gefahren, mit plötzlichen Schönheiten, die in ihrem eigenen Wesen begründet sind und jenseits unserer landgebundenen Erfahrung liegen. Aber das All ist eine unendliche Weite, die das Nichts umfaßt, ein Vakuum, eine Leere aus unermeßlicher Einsamkeit und gelegentlicher Transzendenz. Das Wasser jedoch ist ein Reservoir des Lebens, und dieses Leben verbirgt sich nicht, es flutet einem entgegen, wenn man durch die kühle Tiefe des Meeres gleitet: große und kleine Geschöpfe, wunderschön oder verblüffend grotesk, ganz der ökologischen Nische entsprechend, an die sie angepaßt sind, Unterwasserwälder und kleine Gärten, Wesen, die in dem Reich zwischen den einzelnen Lebenssphären zu Hause sind – Felsen, die sich als lebende Geschöpfe herausstellen, und Kreaturen, die aus Stein bestehen, Pflanzentiere, Tierpflanzen und plötzlich aufschimmernde, herrliche und atemberaubende Juwele, die einen Regenbogenschweif hinter sich
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