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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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denn nicht? Ich bin nicht so wie sie. Sie konn­te es sich leis­ten, groß­zü­gig zu sein. Sie lief kei­ne Ge­fahr, al­les zu ver­lie­ren.“ Und dann lös­te sich mei­ne letz­te Selbst­kon­trol­le auf. Ich ver­barg das Ge­sicht zwi­schen den Hän­den, schluchz­te und wehr­te Pauls ner­vö­se Trös­tungs­ver­su­che ab. Es war ei­ne Art ge­stalt­lo­ses Wei­nen, zum einen her­vor­ge­ru­fen von mehr als nur mil­dem Selbst­mit­leid, zum an­de­ren von Zorn auf Paul und Lon­nie und noch mehr auf mich selbst – und auch von dem bit­te­ren Be­wußt­sein des Ver­trau­ens­bruchs. Und so­bald mir letz­te­res klar­ge­wor­den war, fand mein Schluch­zen ein En­de. Ich war so dumm ge­we­sen zu glau­ben, daß in die­sem Ver­hält­nis auch et­was so Alt­mo­di­sches wie Treue exis­tiert hät­te, nicht wahr? Als mir be­wußt wur­de, wie naiv ich ge­we­sen war, kehr­te die Ra­tio­na­li­tät zu­rück. Ich wisch­te mir mit dem Är­mel durchs Ge­sicht, putz­te mir die Na­se und be­ru­hig­te mich ganz all­ge­mein. Paul war gren­zen­los er­leich­tert über mei­ne Re­kon­va­les­zenz.
    „Hör mal, Tia …“
    „Nein, sag kein Wort. Leg die Sa­chen weg, in Ord­nung?“ „Na­tür­lich. Bist du zum Mit­tages­sen in der Mes­se?“ Ich zuck­te mit den Ach­seln und ver­ließ die Tauch­kam­mer, be­vor er wei­te­re Be­mer­kun­gen von sich ge­ben konn­te.
    Der letz­te Son­nen­schein mei­nes Le­bens, so muß­te ich bei nä­he­rer Be­trach­tung fest­stel­len, ver­blaß­te rasch. Ei­gent­lich hat­te ich nicht ein­mal viel üb­rig für Paul, sag­te ich mir, aber der Ge­dan­ke dar­an, al­lein und oh­ne ihn in mei­ner Ka­bi­ne zu woh­nen, schmerz­te den­noch. Ich trös­te­te mich mit Sprich­wor­ten: In der Not frißt der Teu­fel Flie­gen, ei­nem ge­schenk­ten Gaul schaut man nicht ins Maul – und dann noch mit ei­nem, das ich selbst er­fun­den hat­te: Stolz kann sich nur die Im­mor­ta­li­tät leis­ten. Ich dreh­te die­ses Pro­blem hin und her, und mei­ne Ge­dan­ken lie­fen im Kreis – bis ich es leid war und zum Mit­tages­sen hin­un­ter­ging.
     

31
     
    Ich zog die Bei­ne mei­nes Naß­an­zugs über die Ober­schen­kel und zupf­te und zerr­te an dem di­cken, stör­ri­schen Gum­mi, bis es rich­tig saß. Ich war fer­tig da­mit, Paul in sei­ne Erg­kap­sel zu hel­fen. To­bi­as nahm die letz­ten Jus­tie­run­gen an Jen­nys Kraft­feld­bla­se vor und mach­te sich dann selbst be­reit. Lon­nie hielt die Check­lis­te in der Hand und über­prüf­te Pauls Aus­rüs­tung. Ih­re ge­mur­mel­ten Wor­te wa­ren die ein­zi­gen Ge­räusche in der an­sons­ten stil­len Kam­mer. To­bi­as nick­te Jen­ny zu, als er fer­tig war. Sie ging die ge­rif­fel­te Ram­pe zur Un­te­ren Ebe­ne hin­un­ter und ließ sich am Rand des Tauch­schach­tes nie­der. Ich wand mich ins Ober­teil mei­nes An­zugs, kon­trol­lier­te Säu­me und Schnal­len, zog die Rie­men fest und be­fes­tig­te die Sau­er­stoff­fla­schen und Dü­sen auf dem Rücken.
    Dann zog ich mir das eben­falls aus Gum­mi be­ste­hen­de Kopf­teil übers Haar, und To­bi­as trat hin­ter mich, strich die Ka­pu­ze glatt und such­te nach un­dich­ten Stel­len, die sich als un­an­ge­nehm oder gar ge­fähr­lich er­wei­sen konn­ten. Als er die­se Kon­trol­le be­en­det hat­te, schloß ich die Ka­bel an den hin­te­ren Teil sei­nes Gür­tels an, wo­bei ich sehr dar­auf ach­te­te, kei­nen der An­schlüs­se zu ver­wech­seln. Die Si­cher­heit hat­te Vor­rang vor un­se­rer bei­der­sei­ti­gen Ab­nei­gung, und vor je­dem Tauch­gang über­prüf­ten wir mit ei­nem Ma­xi­mum an Gründ­lich­keit und ei­nem Mi­ni­mum an Höf­lich­keit ge­gen­sei­tig un­se­re Aus­rüs­tung. Er trat zur Sei­te. Ich griff nach den Schwimm­flos­sen und nahm eben­falls am Tauch­schacht Platz. To­bi­as setz­te sich einen Au­gen­blick spä­ter und war­te­te dar­auf, daß Lon­nie sei­ne Ge­rät­schaf­ten auf der Check­lis­te durch­ging. Gre­ville auf der Brücke be­ob­ach­te­te uns wäh­rend­des­sen über das Vid­sys­tem. Die in der Luft lie­gen­de Span­nung war fast kör­per­lich fühl­bar.
    Je­der der drei Un­s­terb­li­chen war ein­gehüllt in ein Netz­werk aus dun­kelblau­en und ro­ten Ka­beln und

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