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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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und zurückkehrten, die Freude und ich, da hatten sich die schwarzen Arme des Bodenauswuchses, auf dem ich lag, zurückgezogen und mich freigegeben. Das Bild auf dem Schirm pulsierte nicht mehr, sondern war unbewegt und zeigte folgende Worte:
    SIE HABEN JETZT DIE ERSTE EINMONATIGE UNTERWEISUNGSFOLGE ERFOLGREICH ABGESCHLOSSEN. RATSAM IST NUN EIN LÄNGERES RUHE- UND ERHOLUNGSINTERVALL. DANACH KÖNNEN SIE MIT DEM ZWEITEN ABSCHNITT BEGINNEN.
    Achtundzwanzig Tage? fragte ich meinen Körper. Nein, versicherte er mir, nicht einmal annähernd so lange. Ich erhob mich, warf einen prüfenden Blick auf das Chronometer des Servos und stellte fest, daß nicht mehr als zwei Stunden seit der Aktivierung der Maschine vergangen waren. Hatten sich während der langen Zeiträume, seit denen dieses Gebäude unter den Wogen des Meeres begraben war, einige Fehlfunktionen in den Mechanismus des Raumes geschlichen? Aus irgendeinem Grund bezweifelte ich das. Dann fielen mir die Fähigkeiten und Talente ein, die ich mitgebracht hatte, das Eintauchen in die Innenwelt, das Beobachten der Körperfunktionen, und ich begriff. Drei Viertel des Lehrstoffes der Maschine waren mir bereits zuvor vertraut gewesen – nur das letzte Stadium hatte etwas Neues für mich dargestellt.
    Dieses letzte Stadium aber …
    Ich hatte meine Innenwelt berührt, kontrolliert und manipuliert. Ich hatte die Meere in den winzigsten Lymphgefäßen durchschwömmen und die Wellen nach meinem Willen geformt. Ich hatte mein Herz gestreichelt. Ich tastete in mich hinein und veränderte den pochenden Rhythmus erneut. Und ich spürte, wie das Herz meinen Gedanken willig gehorchte. Dann ließ ich mich wieder nieder, überwältigt von dieser neuen Erfahrung.
     

35
     
    In dem Sommer, als ich vierzehn Jahre alt wurde, verließen meine Mutter und ich unser gemeinsames Heim. Sie ging ihren Weg – zu den Sandwüsten des Mars – und ich den meinen, nach Sevilla und der Universität. Ich verfügte über eine Studienplatzzuweisung und einen Kreditfond, den mir mein Vater als Geschenk überschrieben hatte, als ich ihm zum zweitenmal begegnete. Sechs Monate zuvor hatte ich meine Unschuld verloren, auf einem Ergschweber, der durch die heißen Sümpfe der Everglades glitt. Ich war auf herrliche Weise meiner Jungfräulichkeit beraubt worden; wir hatten uns hin und her gewälzt unter dem matten Schimmer des Kraftfeldes, das unsere Körper vor den Insekten und der glühend heißen Sonne schützte.
    Ich reiste nach Sevilla, nahm meine Registrierungswürfel in Empfang und wählte mein Hauptstudienfach. Ich fand eine kleine Wohnung über einem der alten Plätze, und von dort aus konnte ich über die sorgsam restaurierten Ziegeldächer bis hin zu den Turmspitzen einer wiederaufgebauten Kathedrale blicken. Bald schon fand ich Anschluß an eine Clique von Studenten in meinem Alter, und wir sangen und schliefen gemeinsam. Ich kam mit meinem Studium gut voran. Während dieses Sommers sprach ich ein- oder zweimal mit meiner Mutter, dann ging sie einen Kontrakt für ein weiteres Kind ein, und wir verloren uns aus den Augen. Der Sommer ging allmählich in den Herbst über, und meine Kurse wechselten. Ich kannte die Universitätsstadt inzwischen in- und auswendig, und ich entwickelte mich prächtig.
    Einer dieser neuen Kurse im Herbst fand in einem Laboratorium für komparative Botanik statt. Und da viele der Untersuchungsgegenstände zum Gedeihen Umweltbedingungen benötigten, die den klimatischen Gegebenheiten auf dem Mars entsprachen, von wo sie stammten, wurde dieser Kurs auf die alte Art und Weise durchgeführt – eine Gruppe von Studenten traf sich zweimal pro Woche in dem großen Laboratorium nahe dem Stadtzentrum. Dieses Gebäude war ebenfalls restauriert worden. Breite, steinerne Treppen führten hinauf zu den Kolonnaden und der Säulenhalle, und an den hohen, grauen Wänden zogen sich lange Reihen von Bogenfenstern dahin. Die Säulenhalle war ein beliebter Startplatz für uns. Sie grenzte direkt an einen verkehrsreichen und belebten Platz, und wir genossen das Vergnügen, zwischen den verzierten Säulen hervorzusausen und über die Köpfe von Einkäufern und Passanten hinwegzuschwirren. Natürlich kam es zu Beschwerden, und wir wurden gerügt. Doch wir konnten einfach nicht der Versuchung widerstehen, über die Menge auf dem Platz zu segeln und mit unseren Liftern Purzelbäume zu schlagen in der milden spanischen Luft.
    Eines Tages blieb ich sehr lange im Laboratorium, da ich beabsichtigte,

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