Versunkene Inseln
deinem Gedächtnis streichen.“ Ich stieß mich von der Tür ab, schwebte ganz dicht vor seiner Ergkapsel und starrte ihn durch die aufglühenden Lichtflecke der Kraftfeldblase an. „Du vergißt nur eins, mein liebes Kind: Ich verursache keine üblen Dinge. Ich bin nicht verantwortlich für das Unheil. Ich werde ohnehin bald nicht mehr da sein, aber das dauert dir einfach zu lange, nicht wahr? Du willst mich nicht sterben sehen, stimmt’s? Das ist es, wovor du Angst hast. Ich werde sterben, tot sein, nur noch lebloses Fleisch, eine verwesende Leiche – und es ist nur diese Vorstellung, die dich so beunruhigt. Nun, ich habe nicht die Absicht fortzugehen, mein liebes Kind, ich denke nicht einmal daran.“
„Ich bin nicht dein liebes Kind!“ schrie Tobias und griff nach seinem Armbandcontroller. Der nächste Servo trieb auf mich zu, fuhr seine Schneidearme aus und streckte sie mir entgegen. Ich wirbelte herum, krümmte mich, duckte mich unter dem einen Metallarm hinweg und stürzte in den Zugang hinein. Und plötzlich war mein Mund voller Salzwasser.
Erschrocken und entsetzt starrten wir beide auf den durchtrennten Luft schlauch, der von meiner Tauchermaske herabbaumelte, dann wandte ich mich um und floh ins Gebäudeinnere.
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Ich jagte durch den Vorraum und griff nach dem von der Maske herabhängenden Luftschlauch. Er war nahe den Sauerstofftanks durchgeschnitten und nützte mir gar nichts mehr. Ein Strom von perlenden Luftblasen stieg steil in die Höhe, der dunklen Decke entgegen. Ich schloß das Ventil – und wußte, daß ich unbedingt Misuyagas Raum erreichen mußte.
Von einer alles andere verdrängenden, blinden Panik erfaßt, trat ich mit den Flossen und schwamm durch die Vorkammer und den inneren Aufenthaltsraum. Meine Lungen brannten, und in den Ohren dröhnte es. Ich konnte die Treppe nicht finden. Hinter mir flutete helles Licht durch den Raum, als Tobias hereinkam, und ich glaubte, in all meinem Entsetzen seine schreiende Stimme zu hören. Doch ich mußte mich irren: Warum sollte Tobias am Meeresgrund irgend etwas über Kinder schreien? Ich trat mit den Flossen, warf mich vorwärts, wirbelte herum, verzweifelt bemüht, den metallenen Killern hinter mir zu entgehen, die Treppe zu finden und in der Sicherheit der verborgenen Kammer Zuflucht zu suchen. Endlich sah ich die breiten Stufen vor mir, ließ mich von den Düsen nach vorn katapultieren, schätzte die Entfernung falsch ein und prallte gegen die Wand. Sonnenheiße Pein flammte durch Schulter und Brust, ließ mit einem Schlag die Luft aus den Lungen entweichen und spülte bitteres Meerwasser hinein. Ich versuchte, der nassen Umklammerung des Ozeans zu entkommen, weigerte mich mit einem stummen Schrei, der all die Kraft meiner Gedanken in sich vereinte, den Tod zu akzeptieren.
Ein plötzlicher Schmerz fuhr durch mein Hirn, ein Stich, ein Zerren – und ich fand mich nackt, mit Händen und Füßen um mich schlagend, auf einem weichen, schwarzen Boden wieder. Ich keuchte und würgte und klammerte mich elend an die dunkle Festigkeit des Bodens. Wasser strömte mir aus Mund und Nase. Kehle und Lunge brannten wie verätzt; der Boden schien so wild zu schwanken und zu tanzen, daß mir übel wurde. Langsam tropfte das Zittern von mir ab, versickerte und ließ mich allein in der Schwärze zurück.
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Zeit verstrich. Meine Finger tasteten über die weiche Kühle unter mir, und meine noch immer schmerzenden Augen schielten in die Dunkelheit. Ich befand mich … in dem verborgenen Raum? Ja. Ja. Aber wie war ich hierher gelangt, zu den aufragenden Maschinen?
Ein heißer Stich im Kopf, Türen in meinem Geist, die plötzlich aufgerissen wurden – ich war gekommen, indem ich gekommen war. Ich war hier, weil es mein intensives Verlangen gewesen war, hier zu sein. Ich setzte mich auf, spürte, wie sich meine nackte Haut in der Kühle kräuselte, und ging versuchsweise daran, die wunden Stellen meines Hirns zu sondieren. Offene Türen; nur ein einfacher Schritt von der Kontrolle der Einzelteile zur Kontrolle des Ganzen, ja. Doch meine Finger suchten noch immer nach Bestätigung an dem festen Boden und meine Lunge in der frostigen, trockenen Luft. Ja, ich war hier.
Daraufhin formte ich behutsam ein Bild vom Torbogen des Zimmers, stabilisierte es vor meinem inneren Auge und streichelte die offenen Zugänge meines Bewußtseins. Irgend etwas verschob sich sanft, und plötzlich lag ich unter dem Tor und spürte seine Wölbung an meiner Hüfte.
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