Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
Vom Netzwerk:
Blick, bis ich die einzelnen Nieten in der gewölbten Decke hoch über mir zählen und die kleinen Poren und Falten meiner Hand erkennen konnte, und war zufrieden.
    Ich schritt zu meinem Spind, öffnete ihn und stellte fest, daß er leer war. Weder ein Plastikstück noch ein Gummifetzen, nicht eine Ventilklappe oder Schraube, die zurückgeblieben wäre. Hatten sie mich so schnell vergessen? Oder mit Freuden ad acta gelegt? Nun, das spielte keine Rolle, denn ich hatte ihre Gesellschaft genauso freudig aufgegeben. Ich brauchte sie nicht, nur ihre Werkzeuge und Gerätschaften. Und um an sie zu gelangen, mußte ich einen Abstecher ins Lager unternehmen, mit aller Vorsicht. Denn ich wollte unterwegs niemandem begegnen.
    Bimbam, die Hexe ist tot! Wie froh sie gewesen sein mußten, mich endlich loszuwerden!
    Ich erinnerte mich an eine Biegung des Korridors nahe dem Lager, eine Kurve, die scharf genug war, um mir Sichtschutz zu gewähren und von der aus ich den Gang in beide Richtungen überblicken konnte – ein guter Platz, um rechtzeitig zu erkennen, ob einer der Unsterblichen in der Nähe war. Sorgfältig formte ich ein Bild der Biegung vor meinem inneren Augen, dann transferierte ich voller Zuversicht. Doch es war keine einfache und problemlose Transition. Als ich in dem Korridor materialisierte, schleuderte mich eine gewaltige Kraft zurück und stieß mich gegen die gewölbte Wand des Ganges, an der ich herabsank und liegenblieb. Von der anderen Seite der Kurve hallte ein verblüffter Aufschrei wider. Ich sah auf und erblickte Hart, der flach auf dem Rücken lag und mich geschockt anstarrte. Aus dem Schrei wurde ein entsetztes Kreischen; er sprang auf die Beine, stürzte um die Biegung herum und ließ die Karten und Diagramme, die er getragen hatte, verstreut hinter sich zurück. Ich war genauso erschrocken wie er, transferierte wieder in die Tauchkammer, lehnte mich an meinen Spind und versuchte, mein klopfendes Herz zu beruhigen, die Beklemmung in der Brust aufzulösen. Was zum Teufel war passiert?
    Elementare Physik, versicherte ich mir, als ich mich wieder einigermaßen von dem Schock erholt hatte. Zwei Körper, der gleiche Ort, die gleiche Zeit. Hart hatte bereits den Raum eingenommen, an dem ich auftauchte. Daraufhin wurde sofort die naturgesetzliche Gewalt des Universums wirksam und schleuderte uns voneinander fort. Ganz einfach. Und erschreckend. Ich verspürte nicht den Wunsch, diese Erfahrung noch einmal zu machen. Wenn ich wieder transferieren wollte, mußte ich mir einen Platz aussuchen, der garantiert leer war.
    Nun, ich kannte genügend leere und verlassene Plätze an Bord der Ilium. Meine Kabine zum Beispiel. Dort befand sich eine kleine Nische, eine Stelle, an der sich mit fast hundertprozentiger Sicherheit niemand aufhalten würde, ein Platz, an dem ich meinen Kleinkram verstaut hatte. Ich transferierte vorsichtig, doch meine Erleichterung darüber, sicher angekommen zu sein, wurde kurz darauf zu Verwunderung. Die Nische war leer, mein Krimskrams verschwunden. Ich sah mich um und betrat dann die Kabine. Leer, ausgeräumt, kahl. Wo war meine Hängematte? Mein Tisch? Meine Bücher? Hatten sie meine Habe anstelle meines Körpers der Tiefe übergeben?
    Egal. Ich brauchte den Plunder nicht, den ich angehäuft hatte. Meine Welt schloß keine Bedürfnisse mehr nach sentimentalen Dingen ein. Das Verlangen nach Nahrung aber war nach wie vor ein elementarer Bestandteil meines Universums. Ich schaltete das Bestellterminal ein und war erleichtert festzustellen, daß es noch immer angeschlossen war. Ich orderte einen Teller Krabben und ein Glas Wein. Dann formte ich aus einem Teil der Wand einen Sessel, entspannte mich und dachte während des Essens über mein weiteres Vorgehen nach.
    Es wäre einfacher, dachte ich bekümmert, wenn ich mich unsichtbar hätte machen können, wenn ich das Schiff ganz unbemerkt durchwandern könnte, ohne das Risiko einer weiteren naturgesetzlichen Rüge des Universums einzugehen. Ich sondierte meinen Geist, aber es war noch nicht soweit, daß ich jene Tür zu öffnen vermochte. Mit der Zeit, mit der Zeit. Und bis dahin?
    Ich mußte zum Lager, das lag auf der Hand. Ein gutausgerüsteter Servo würde den größten Teil meiner Wünsche erfüllen, doch ich brauchte auch noch andere Gerätschaften. Dann mußte ich in die Kombüse, um mir einen Lebensmittelvorrat zu besorgen und nicht nur auf die Überlebensrationen des Roboters angewiesen zu sein. Danach zurück in den Raum am Meeresgrund.

Weitere Kostenlose Bücher