Versunkene Inseln
fand ihn abstoßend, und so tolerierten wir uns gegenseitig – zwei Scheusale, die es sich im Bauch des Eden gemütlich machten. Er sei schlimmer dran, sagte ich ihm, denn er müsse seinen Buckel für alle Ewigkeit tragen, ohne einmal ausruhen zu können. Ich sei schlimmer dran, sagte er mir, denn ich müsse sterben, und der Tod sei übler als jedes noch so beschwerliche Leben. Jeder von uns argwöhnte, der andere könne recht haben. Und so blieben wir in der Schwebe zwischen Bedeutsamem auf der rechten, Unbedeutsamem auf der linken Seite, der Antipathie der anderen über uns und dem wandelnden Wogen des Meeres unter uns.
21
Eines Abends, einen Monat nach meiner Flucht aus der Bibliothek, rief ich Greg Hartfeld an. Ich hatte den Tag in der Aussichtskammer verbracht und auf die öde, unfreundliche Mondoberfläche hinausgestarrt, und die nackte, trostlose Leere hatte die letzten Fetzen der Trübsal aus meinen Gedanken gefegt. Ich mußte sterben. Also gut, in Ordnung. Dann würde ich eben die mir gegebene Zeit dazu verwenden, mich zu vergnügen, zu forschen und neue Erfahrungen zu sammeln. Meine kleine Wohnung begann mich einzuengen. Ich konnte hören, wie die Leere und Unausgefülltheit meiner Tage düstere Echos warf in meinem Kopf, und plötzlich erschien es mir als ungeheure Verschwendung, die kostbaren Stunden meines Lebens damit zu verbringen, meine eigene Elegie zu schreiben.
Das Komsystem leitete meinen Anruf um den halben Mond herum zum Clarke-Observatorium, und kurz darauf erschienen das runde Gesicht und die Adlernase von Greg Hartfeld auf dem Bildschirm vor mir.
„Hallo“, sagte ich. „Erinnern Sie sich noch? Tia Hamley.“
„Klar.“ Er lachte. „Klar, natürlich. Sie möchten ein bißchen auf der Oberfläche herumspazieren, was? Ich komme und hole Sie ab. Es sei denn, Sie wollen selbst kommen. Heute? Heute abend? Dauert anderthalb Stunden. Wenn Sie jetzt aufbrechen, sind Sie rechtzeitig zum Abendessen hier. In Ordnung?“
„Ja, gut. Ich komme selbst.“
„Wunderbar! Ich bin hier in der Clarke-Station Eins und warte auf Sie. Nehmen Sie die Sechzehn-Zehn und bringen Sie Kleidung zum Wechseln und eine Zahnbürste mit. Alles klar? Bestens. Dann bis nachher.“
Ich unterbrach die Verbindung, zugleich erheitert und aufgeregt, warf ein paar Kleidungsstücke in eine Tasche und segelte weit über dem Mond der Station entgegen. Ich hätte die Sechzehn-Zehn beinahe verpaßt, stolperte neunzig Minuten später hinaus und in Gregs riesige Arme.
Er fegte mit mir durch die Station, als sei ich ein Kind, dem er sofort alles zeigen müsse. In seiner Nähe wurden Servostewards wie Staub aufgewirbelt, und er redete wie ein Wasserfall. Wir tanzten und hüpften auf Gleitbändern herum, rasten die Liftröhre eines Gebäudes am Rand der Permastahlblase hinauf, und Greg warf eine Tür auf.
„Da wären wir!“ rief er aus und schleuderte meine Tasche ins Zimmer hinein. Sie fiel in die helle, grüne Aura eines Ergsessels. „Hübsch, eh? Und auch noch billig, denn am Rand der Blase möchten nur solche verschrobenen Typen wie ich wohnen. Die anderen glauben, der Mond könne sich eines Nachts durchs Fenster hereinschleichen und sie verschlingen. Womit sie natürlich völlig recht haben! Sehen Sie!“ Er betätigte eine Taste; ein Hologemälde an der einen Wand löste sich auf und verwandelte sich in ein breites Fenster. Und unmittelbar dahinter klebte die trockene, weiße Mondoberfläche, dort mit Schwarz geätzt, wo Felsen im Licht der langsam untergehenden Sonne unauslotbare Schatten werfen.
„Beeindruckend, was? Morgen gehen wir raus und tanzen ein bißchen auf der Oberfläche dieses alten Grabes herum. Es wird nichts dagegen
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