Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
Vom Netzwerk:
fand ihn ab­sto­ßend, und so to­le­rier­ten wir uns ge­gen­sei­tig – zwei Scheu­sa­le, die es sich im Bauch des Eden ge­müt­lich mach­ten. Er sei schlim­mer dran, sag­te ich ihm, denn er müs­se sei­nen Bu­ckel für al­le Ewig­keit tra­gen, oh­ne ein­mal aus­ru­hen zu kön­nen. Ich sei schlim­mer dran, sag­te er mir, denn ich müs­se ster­ben, und der Tod sei üb­ler als je­des noch so be­schwer­li­che Le­ben. Je­der von uns arg­wöhn­te, der an­de­re kön­ne recht ha­ben. Und so blie­ben wir in der Schwe­be zwi­schen Be­deut­sa­mem auf der rech­ten, Un­be­deut­sa­mem auf der lin­ken Sei­te, der An­ti­pa­thie der an­de­ren über uns und dem wan­deln­den Wo­gen des Mee­res un­ter uns.
     

21
     
    Ei­nes Abends, einen Mo­nat nach mei­ner Flucht aus der Bi­blio­thek, rief ich Greg Hart­feld an. Ich hat­te den Tag in der Aus­sichts­kam­mer ver­bracht und auf die öde, un­freund­li­che Mond­ober­flä­che hin­aus­ge­st­arrt, und die nack­te, trost­lo­se Lee­re hat­te die letz­ten Fet­zen der Trüb­sal aus mei­nen Ge­dan­ken ge­fegt. Ich muß­te ster­ben. Al­so gut, in Ord­nung. Dann wür­de ich eben die mir ge­ge­be­ne Zeit da­zu ver­wen­den, mich zu ver­gnü­gen, zu for­schen und neue Er­fah­run­gen zu sam­meln. Mei­ne klei­ne Woh­nung be­gann mich ein­zuen­gen. Ich konn­te hö­ren, wie die Lee­re und Un­aus­ge­füllt­heit mei­ner Ta­ge düs­te­re Echos warf in mei­nem Kopf, und plötz­lich er­schi­en es mir als un­ge­heu­re Ver­schwen­dung, die kost­ba­ren Stun­den mei­nes Le­bens da­mit zu ver­brin­gen, mei­ne ei­ge­ne Ele­gie zu schrei­ben.
    Das Kom­sys­tem lei­te­te mei­nen An­ruf um den hal­b­en Mond her­um zum Clar­ke-Ob­ser­va­to­ri­um, und kurz dar­auf er­schie­nen das run­de Ge­sicht und die Ad­ler­na­se von Greg Hart­feld auf dem Bild­schirm vor mir.
    „Hal­lo“, sag­te ich. „Er­in­nern Sie sich noch? Tia Ham­ley.“
    „Klar.“ Er lach­te. „Klar, na­tür­lich. Sie möch­ten ein biß­chen auf der Ober­flä­che her­umspa­zie­ren, was? Ich kom­me und ho­le Sie ab. Es sei denn, Sie wol­len selbst kom­men. Heu­te? Heu­te abend? Dau­ert an­dert­halb Stun­den. Wenn Sie jetzt auf­bre­chen, sind Sie recht­zei­tig zum Abendes­sen hier. In Ord­nung?“
    „Ja, gut. Ich kom­me selbst.“
    „Wun­der­bar! Ich bin hier in der Clar­ke-Sta­ti­on Eins und war­te auf Sie. Neh­men Sie die Sech­zehn-Zehn und brin­gen Sie Klei­dung zum Wech­seln und ei­ne Zahn­bürs­te mit. Al­les klar? Bes­tens. Dann bis nach­her.“
    Ich un­ter­brach die Ver­bin­dung, zu­gleich er­hei­tert und auf­ge­regt, warf ein paar Klei­dungs­stücke in ei­ne Ta­sche und se­gel­te weit über dem Mond der Sta­ti­on ent­ge­gen. Ich hät­te die Sech­zehn-Zehn bei­na­he ver­paßt, stol­per­te neun­zig Mi­nu­ten spä­ter hin­aus und in Gregs rie­si­ge Ar­me.
    Er feg­te mit mir durch die Sta­ti­on, als sei ich ein Kind, dem er so­fort al­les zei­gen müs­se. In sei­ner Nä­he wur­den Ser­vos­te­wards wie Staub auf­ge­wir­belt, und er re­de­te wie ein Was­ser­fall. Wir tanz­ten und hüpf­ten auf Gleit­bän­dern her­um, ras­ten die Lift­röh­re ei­nes Ge­bäu­des am Rand der Per­ma­stahl­bla­se hin­auf, und Greg warf ei­ne Tür auf.
    „Da wä­ren wir!“ rief er aus und schleu­der­te mei­ne Ta­sche ins Zim­mer hin­ein. Sie fiel in die hel­le, grü­ne Au­ra ei­nes Erg­ses­sels. „Hübsch, eh? Und auch noch bil­lig, denn am Rand der Bla­se möch­ten nur sol­che ver­schro­be­nen Ty­pen wie ich woh­nen. Die an­de­ren glau­ben, der Mond kön­ne sich ei­nes Nachts durchs Fens­ter her­ein­schlei­chen und sie ver­schlin­gen. Wo­mit sie na­tür­lich völ­lig recht ha­ben! Se­hen Sie!“ Er be­tä­tig­te ei­ne Tas­te; ein Ho­lo­ge­mäl­de an der einen Wand lös­te sich auf und ver­wan­del­te sich in ein brei­tes Fens­ter. Und un­mit­tel­bar da­hin­ter kleb­te die tro­ckene, wei­ße Mond­ober­flä­che, dort mit Schwarz ge­ätzt, wo Fel­sen im Licht der lang­sam un­ter­ge­hen­den Son­ne un­aus­lot­ba­re Schat­ten wer­fen.
    „Be­ein­dru­ckend, was? Mor­gen ge­hen wir raus und tan­zen ein biß­chen auf der Ober­flä­che die­ses al­ten Gra­bes her­um. Es wird nichts da­ge­gen

Weitere Kostenlose Bücher