Versunkene Inseln
haben, solange wir uns an die Spielregeln halten.“
Ich starrte hinaus auf die rauhe Öde und spürte, wie große Aufregung emporkeimte. Hartfeld bemerkte meine tiefe Ergriffenheit und schwieg. Eine sterile Ewigkeit, direkt in Reichweite meiner Fingerspitzen, unbefleckt von der großen grünen Kugel der Erde. Keine Landschaft des Todes, nicht mehr als eine Landschaft des Lebens. Sie war mehr als das, sie reichte über Sterblichkeit und Unsterblichkeit hinaus. In dieser völligen Stille, die durch das Fenster sickerte und bis zur Grundfeste meines Ichs hinabtropfte, waren meine Probleme völlig bedeutungslos und hörten einfach auf zu existieren. Ich vergaß zu atmen und berührte mit den Fingerspitzen ehrfürchtig und demütig das Fenster. In den Aussichtskammern von Luna mit ihren etikettierten Perspektiven und beengtem Komfort hatte ich nichts gesehen, das auch nur annähernd so beeindruckend war.
„Diese Leere da draußen ist wie eine Hexe“, sagte Hartfeld schließlich.
„Aber wunderschön“, entgegnete ich.
„Meinen Sie?“ fragte er, und seine Stimme klang überaus interessiert. Der Bann des Mondes brach. „Nun, das werden wir morgen sehen, nicht wahr? Sie sind sicher hungrig. Nehmen Sie ein Bad und wechseln Sie die Kleidung – sind Sie immer angezogen? Ach was, ist ja auch egal. Wir gehen weg, essen eine größere Kleinigkeit und treffen noch ein paar verschrobene Typen, die genauso sind wie ich. Wir setzen uns alle zusammen; vielleicht mögen Sie sie, vielleicht auch nicht. Da drüben ist das Bad. Mögen Sie eine Dusche mit Wasser? In Ordnung, Sie haben vier heiße Gallonen und zehn kalte – aber das wissen Sie ja längst, ich bin wirklich blöd. Tasten Sie Ihre Kennummer ein; der Servo wird sich einschälten, wenn Ihnen Wasser zugeteilt ist. Wir haben hier oben eine ziemlich scharfe Kontrolle, nicht so wie auf der guten alten Erde, was? Alles klar? Bestens!“
Der Abend stand ganz im Zeichen von Greg Hartfelds gediegener, überschwenglicher Art; er war verwirrend und bot pausenlos etwas Neues. Wir speisten in einem kleinen, von intensiven Wohlgerüchen durchzogenem Restaurant, in dem an einem Ecktisch vier Leute auf uns warteten. „Andere komische Typen“, nannte Greg sie, aber keiner von ihnen war so herausragend und überwältigend wie er. Die Gespräche waren wie glänzende Juwele in einem Kasten voller Kohlen: Sie bestanden nicht aus den für die Unsterblichen sonst typischen langweiligen Scherzen und geliehenen Meinungen, sondern aus Argumenten und Gegenargumenten, aus fundierten Bemerkungen und Analysen. Für diese Leute schien das Leben ein Labyrinth aus unendlicher Faszination zu sein. Und sie steckten mich an mit dieser Faszination: Mir schwindelte, und ich schwamm wie verzaubert in ihrem Sog. Nach dem Essen gingen wir, ohne die Diskussion zu unterbrechen, zu irgend jemandem in die Wohnung, die ebenfalls am Rande der Blase lag. Mit der rauhen und öden Mondlandschaft als Hintergrund sprach die dunkelhäutige Najla über Astrophysik und die Geschichte des minoischen Reiches. Nur ein paar Augenblicke, nachdem er mit Kai-Yu Kommunikationstechniken erörtert hatte, diskutierte Greg mit der kleinen Susan über Lebenserhaltungssysteme. Jaime sang mit weicher Stimme und kommentierte leise Najlas Theorien. Als wir einmal über Kunst sprachen, warf ich schüchtern ein Zitat ein, auf das ich während meiner Zeit in der Bibliothek gestoßen war, und Greg deckte mich mit seinen riesigen Armen zu und drückte mich fest an sich. Gleichermaßen verlegen und erfreut zog ich mich in mein Schweigen zurück. Mein Gott, wie intensiv diese Leute lebten! Wenn ich die Augen schloß,
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