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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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ab, und er ent­schul­dig­te sich rasch, ver­ließ uns und durch­wan­der­te den kom­ple­xen Irr­gar­ten des Schif­fes.
    Ei­ne neb­li­ge, ver­schwom­me­ne Rei­se. Das Land fiel hin­ter uns zu­rück und wur­de ver­schluckt von den grau­grü­nen Wo­gen. Je­ne ers­ten fünf Ta­ge auf See wa­ren wie ein Traum, zur einen Hälf­te re­al, zur an­de­ren un­wirk­lich. Doch wie in je­dem Traum gab es auch in die­sem Fall klei­ne Span­nungs­punk­te, Schat­ten von Be­klem­mun­gen, dün­ne, fei­ne, aber sehr fes­te Stol­per­drah­te, die fest ge­spannt wa­ren durch die gan­ze Struk­tur des Ta­ges­ab­laufs und die schmerz­ten, wenn man ge­gen sie stieß. Jen­ny und To­bi­as blie­ben ganz un­ter sich und ver­lie­ßen den Raum, wenn ich ihn be­trat. Paul sag­te mir, bei ihm ver­hiel­ten sie sich eben­so. Be­ni­to war noch ver­drieß­li­cher als sonst, und Gre­ville tauch­te uns in mehr als nur sein ge­wöhn­li­ches Quan­tum an gu­ter Lau­ne. Die an­de­ren wa­ren sehr wort­karg und gin­gen mir oder Paul oder uns bei­den aus dem Weg. Ich spür­te ei­ne Ver­stär­kung der ab­leh­nen­den Re­ak­tio­nen, auf die ich üb­li­cher­wei­se stieß. Ich ahn­te, daß der Schock, den Jen­ny vor Ta­gen und vie­le Mei­len ent­fernt an der Küs­te er­lit­ten hat­te, auch die an­de­ren Pas­sa­gie­re plag­te. Ich ver­dräng­te die­sen Ge­dan­ken in einen ent­le­ge­nen Win­kel mei­nes Be­wußt­seins, wob ihn in einen Ko­kon aus Gleich­gül­tig­keit, ver­grub ihn un­ter un­ver­mu­te­ter Fröh­lich­keit.
    Es küm­mer­te mich nicht, daß ich, um mit Paul zu­sam­men zu sein, einen Teil der Wirk­lich­keit igno­rier­te. Ich be­täub­te das Wis­sen, daß er ein Kind war, ober­fläch­lich, ein Narr. Ein Un­s­terb­li­cher und ein eit­ler und selbst­ge­fäl­li­ger Un­s­terb­li­cher noch da­zu. Ja, all das. Aber er war auch der Mann, der mit mir in der Hän­ge­mat­te schau­kel­te oder mich in sei­nem Bett wieg­te, der mei­ne ver­nach­läs­sig­ten Brüs­te mit sei­nen Küs­sen wie­der zum Le­ben er­weck­te. Ich wuß­te nicht, warum er all dies tat, und ich sorg­te mich nicht we­gen die­ser man­geln­den Kennt­nis. Ich woll­te es gar nicht wis­sen. Es reich­te, daß er mich in den Ar­men hielt und mit mir sprach und mich mor­gens mit zärt­li­chen Wor­ten und ei­nem plötz­li­chen, er­reg­ten Ein­drin­gen in mich weck­te.
    Und was die an­de­ren an­ging: Ich igno­rier­te sie. Das Le­ben hat­te mir nur sehr we­nig Son­nen­schein ge­bo­ten. Und ich wür­de es nicht zu­las­sen, daß ihr Ekel und ih­re Ab­scheu die­sen einen letz­ten Licht­blick ver­fins­ter­ten. Wie Schat­ten glit­ten sie an den Gren­zen mei­nes neu­en Uni­ver­sums ent­lang, und ich spür­te kei­ne Ver­an­las­sung, sie hin­ein­zu­las­sen.
     

23
     
    Drei Ta­ge nach mei­ner An­kunft in der Clar­ke-Sta­ti­on, als wir bei­de den Ent­schluß faß­ten, daß ich et­was län­ger blei­ben soll­te, zog ich in Greg Hart­felds Apart­ment ein. Ich nahm ei­ne Ar­beit als Stre­cken Wär­te­rin bei der Trans­port­ge­sell­schaft an. Ein­mal in der Wo­che gin­gen Greg und ich hin­aus, ge­folgt von Ser­vos und Fuhr­schlit­ten, schrit­ten die Stre­cke ab, flick­ten und schweiß­ten und po­lier­ten den har­ten Plast­stahl, bis über­haupt kei­ne Naht mehr zu se­hen war. Ein­mal in der Wo­che wan­der­ten wir durch das In­ne­re der Röh­re. Ein­mal in der Wo­che un­ter­nah­men wir wei­te In­spek­ti­ons­flü­ge mit dem Hüpf er, und ein­mal in der Wo­che mach­ten wir uns an die Er­le­di­gung des Pa­pier­krams. Al­le zwei Wo­chen über­wies die Ge­sell­schaft den an­sehn­li­chen Lohn auf un­ser Kon­to – die Ge­sell­schaft zahl­te gut, und wir er­hiel­ten dar­über hin­aus Ge­fah­ren­zu­la­gen, wenn wir die Au­ßen­stre­cke ab­schrit­ten. Wäh­rend­des­sen sam­mel­ten sich mei­ne Be­zü­ge vom Be­hand­lungs­zen­trum still und lei­se auf ei­nem se­pa­ra­ten Kon­to in Bern an. Ich hat­te Greg nichts da­von er­zählt, und ich wür­de es auch nicht tun. Eben­so­we­nig wie über die Grün­de die­ser Zah­lun­gen. Und die­ses Ge­heim­nis war das ein­zi­ge Tren­nen­de in un­se­rem ge­mein­sa­men Le­ben.
    Wir teil­ten un­se­re Ar­beit, un­ser

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