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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Zu­hau­se, un­se­re Kör­per – und das hat­te Ban­de zwi­schen uns ge­schaf­fen, die manch­mal zu ei­ner ur­al­ten Lei­den­schaft führ­ten: dem Be­dürf­nis, dem Ge­lieb­ten die Er­satz-Un­s­terb­lich­keit ei­nes Ge­dichts oder Bil­des zu schen­ken, die von Ver­sen oder ei­ner Skulp­tur. Wenn ich Greg be­trach­te­te, wur­de das fun­keln­de und strah­len­de Ve­ne­dig, das in mei­ner Er­in­ne­rung haf­te­te, zu ei­nem Ver­gnü­gungs­park für Kin­der, und die Lie­be, die ich für Paul emp­fun­den hat­te, ver­blaß­te. Greg war ein un­er­schöpf­li­ches Re­ser­voir an Kraft und Auf­re­gung. Selbst wenn er rich­tig zor­nig war und sich über et­was auf­reg­te (und manch­mal konn­te er sich er­staun­li­cher­wei­se über die un­be­deu­tends­ten Din­ge är­gern), konn­te ich mir kei­nen Platz vor­stel­len, an dem ich lie­ber ge­we­sen wä­re.
    Einen großen Teil un­se­rer Frei­zeit ver­brach­ten wir zu­sam­men mit Gregs Freun­den, und mei­ne ers­ten Ein­drücke von ih­nen än­der­ten sich nicht. Sie schie­nen auf ei­ne Wei­se zu le­ben, die mei­ne Er­fah­rung über­stieg. Es war, als sei ih­nen die Syn­the­se zwei­er Kul­tu­ren ge­lun­gen, als sei die Im­mor­ta­li­tät kein End­punkt oder er­reich­tes Ziel für sie, son­dern ein Sprung­brett zur Ent­de­ckung neu­er Din­ge. Sie teil­ten viel von mei­nem wach­sen­den Un­be­ha­gen in Hin­sicht auf die Le­bens­wei­se der Un­s­terb­li­chen, und sie leg­ten de­tail­lier­te Kar­ten und Dia­gram­me vor, die die re­la­ti­ve Ab­nah­me von In­no­va­tio­nen wäh­rend der let­zen fünf­hun­dert Jah­re do­ku­men­tier­ten, den Nie­der­gang in Kunst und Mu­sik, in Wis­sen­schaft und Ma­the­ma­tik. Die Un­s­terb­li­chen, sag­te Na­j­la zor­nig, hat­ten sich den be­deut­sams­ten Fort­schritt in der Mensch­heits­ge­schich­te zu ei­gen ge­macht und be­nutz­ten ihn da­zu, wei­te­re Fort­schrit­te für im­mer zu ver­hin­dern. Die Un­s­terb­li­chen ak­zep­tier­ten ih­re sta­ti­sche Welt, doch die­se Leu­te nicht.
    Mei­ne ers­te un­will­kür­li­che As­so­zia­ti­on, mit der ich Greg und sei­ne Freun­de mit Aus­tra­li­en in Ver­bin­dung ge­bracht hat­te, fand schließ­lich ei­ne Er­klä­rung: Es wa­ren die bei­den ge­gen­über­lie­gen­den En­den ei­ner brei­ten Ska­la. Sie äh­nel­ten sich in ih­rer Un­zu­frie­den­heit mit dem Main­stream der Im­mor­ta­li­täts­kul­tur, der in der Mit­te der Ska­la an­ge­sie­delt war, und sie un­ter­schie­den sich in den Aus­drucks­for­men die­ser Ab­nei­gung. Den Miß­ge­bur­ten in Aus­tra­li­en fehl­te es an in­ne­rem Zu­sam­men­halt, doch in die­ser Grup­pe von der Clar­ke-Sta­ti­on spür­te ich einen fes­ten Kern, ei­ne Zweck­be­stim­mung, die ich noch nie zu­vor wahr­ge­nom­men hat­te.
    Nach drei Mo­na­ten in der Sta­ti­on zeig­ten sie mir schließ­lich die­sen Kern. Greg und sei­ne Freun­de paß­ten mich ab, als ich nach ei­nem an­stren­gen­den Tag mit vie­len Stre­cken­über­prü­fun­gen die Kup­pel be­trat. Sie führ­ten mich zu ei­ner im Schat­ten lie­gen­den Schlucht, die ei­ni­ge Ki­lo­me­ter vom Ob­ser­va­to­ri­um ent­fernt war, und sie zeig­ten mir das, worum sich all ih­re Träu­me dreh­ten. Hier stand ihr Raum­schiff, ein schlan­ker, po­lier­ter Me­tall­pfeil, des­sen Spit­ze blen­dend hell glänz­te. Zwei Stun­den lang re­de­ten sie auf mich ein, führ­ten mich vom einen En­de des Schif­fes zum an­de­ren, zeig­ten mir Kar­ten und Dia­gram­me, Le­bens­er­hal­tungs­sys­te­me, Ko­jen, Mes­sen, An­trieb­s­ag­gre­ga­te, Ent­span­nungs­be­rei­che, hy­dro­po­ni­sche Gär­ten, Ba­de­ni­schen, Schal­träu­me, Me­do­zen­tren, Werk­stät­ten … bis mein ur­sprüng­li­ches Er­stau­nen von to­ta­ler Ver­wir­rung ver­drängt wur­de und ich um einen ein­stün­di­gen Waf­fen­still­stand bat, um al­les zu ver­dau­en.
    Sie ver­stan­den und wa­ren zu­vor­kom­mend und zu­ver­sicht­lich. Sie lie­hen mir einen Spe­zi­al­druck­an­zug, und ich blick­te mich su­chend an den Hän­gen der Schlucht um, bis ich ei­ne pas­sen­de Fels­klip­pe ent­deck­te. Dort nahm ich Platz; mei­ne Bei­ne bau­mel­ten hin­ab, und mei­ne

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