Versunkene Inseln
Fersen kratzten müßig übers Mondgestein. Ich war eingehüllt in die Wärme des nur scheinbar so empfindlichen Druckanzugs, ähnlich dem schlanken Schiff im Tal unter mir, das von einem Kokon aus Abweisfeldern umgeben war.
Das Schiff hieß In die Ferne. Sie wollten in den nächsten fünf Jahren damit starten und es an die runde Tafel ankoppeln, die in einem polaren Orbit schwebte und beinahe fertiggestellt war. Dann mochte das Raumschiff einer goldenen Lanze ähneln, die durch eine silberne Platte stach. Sie würden damit die Sonne ansteuern, durch Sols Korona wirbeln und das so gewonnene Bewegungsmoment dazu benutzen, das Schiff und damit auch sich selbst in den interstellaren Raum zu katapultieren. Es würde um seine Längsachse rotieren und durch das Nichts zwischen den Sternen gleiten, bis sie einen bewohnbaren Planeten finden und fernab der Mutter Erde eine neue Lebensgemeinschaft gründen konnten. Und sobald sie einmal gestartet waren, so erklärten sie mir, gäbe es keine Eile mehr: Wenn sich der erste Planet nicht für Menschen eignete, wurde einfach der nächste unter die Lupe genommen und dann wieder der nächste. Nein, eilig hatten sie es nicht. Schließlich waren sie unsterblich. Sie konnten sich Zeit lassen.
Und sie wollten, daß ich sie begleitete.
Ich trat etwas heftiger gegen den Fels. Ein Stückchen splitterte ab, schwebte über den Rand des Vorsprungs hinaus und dem Boden des Tals entgegen. Die Unsterblichen warteten in ihrem Schiff, davon überzeugt, daß ich mit einer bereits ausformulierten Einwilligung durch das Tal zurückgehüpft kam. Daß ich genauso versessen darauf war wie sie, die letzten Arbeiten zu vollenden, die Vorbereitungen abzuschließen und mich dann zusammen mit ihnen ins Unbekannte zu schleudern. Aber ich war ganz und gar nicht sicher, ob ich mitwollte.
Es war nicht ihre Lebensanschauung, die mich zurückhielt. Sie flohen nicht vor der imaginären Verfolgung, der sich eine widernatürliche und absurde Philosophie ausgesetzt sah. Sie brachen nicht auf, um die unwissenden Aliens auf dem Planeten einer fernen Sonne zu bekehren, ihnen Erleuchtung und universelle Wahrheit zu bringen. Sie beabsichtigten schlicht und einfach, eine Gesellschaft zu gründen, die einerseits die Vorteile der Immortalität aufwies, andererseits aber auch die Tatkraft und den Unternehmungsgeist der Menschen vor der Großen Formung. Ich war wie sie der Überzeugung, daß es für die Gesellschaft, die ihnen vorschwebte, auf Terra keinen Platz gab. Irgendwelche Marotten trafen bei den Unsterblichen sofort auf leidenschaftliche Zustimmung. War der Reiz des Neuen jedoch verflogen, stießen sie auf ebenso heftige Ablehnung. Und selbst eine Gemeinschaft mit besonders stark ausgeprägtem Zusammengehörigkeitsgefühl konnte angesichts der beständigen Neugier und Einmischung der sie umgebenen Kultur nicht lange Bestand haben. Ich lehnte auch keine bestimmten Mitglieder der Gruppe ab. Ich war sicher, daß ich auch weiterhin Gefallen finden würde an der Gesellschaft von Kai-Yu, Najla, Jaime und den anderen, die ich noch nicht kennengelernt hatte und die über die Erde und ihre beiden Außenposten verstreut waren und dort der Verwirklichung ihres Traums entgegenfieberten. Und am allerwenigsten würde ich der Gesellschaft Gregs überdrüssig werden. Doch ich liebte ihn, und es war diese Liebe, die mich davon abhielt, der Reise zu den Sternen aus einer ersten Begeisterung heraus zuzustimmen.
Ich war jetzt einundzwanzig. Ich stand in der Blüte meiner Jugend, und mein ganzer Körper entsprach dem üblichen Erscheinungsbild der Immortalität. Wären die Behandlungen
Weitere Kostenlose Bücher