Versunkene Inseln
erfolgreich gewesen, hätte ich für immer so ausgesehen. Aber ich hatte bestimmte Studien betrieben in der düsteren Stille der Bibliothek und mir daraufhin eine Chronologie für mich selbst erstellt. Wenn ich Glück hatte, würde ich so lange leben, daß ich meinen zweihundertsten Geburtstag feiern konnte. Die Sterblichen vor der Formung besaßen eine Lebenserwartung von, wenn es hoch kam, neunzig Jahren. Mit zweihundert werde ich verschrumpelt und runzelig sein, verwelkt und schwach und zittrig und häßlich. Mit hundert erwartete mich das Stadium, das zwischen diesem und dem davor lag, das zwischen dem des mittleren Alters und der Senilität. Mit fünfundsiebzig hätte ich gerade die besten Jahre hinter mir – ergrauendes Haar, Falten im Gesicht und am Körper, der Verstand noch flink und beweglich, die Augen klar. Mit fünfzig wäre ich in voller Reife, und in den Augenwinkeln könnten sich kleine Kräuselungen zeigen. In den Augen der Sterblichen vergangener Zeiten hätte eine Frau von vierzig Jahren noch überaus attraktiv sein können. Aber Lippencotts Kinder hatten nie jemanden gesehen, der so alt wirkte, und sie fänden mich gräßlich. Wie auch ich mich gräßlich finden würde.
Wenn ich irgendwo zwischen den Sternen starb, dann sah Greg noch immer genauso aus wie an jenem Morgen, als er nackt aus unserem zerwühlten Bett geklettert war. Keiner von ihnen würde sich verändern, während ich verdorrte und zu sabbern begann – und schließlich starb.
Ich trat gegen einen Stein, und er schwebte ebenfalls dem Talgrund entgegen, wobei er eine blasse Staubfahne hinter sich herzog. Er schlug auf, rollte weiter und blieb vierzig Meter vom Schiff entfernt liegen, ein ganzes Stück vor dem Schutzfeld. Ich streckte mich, kam etwas in die Höhe und blickte zum fernen, wie mit Staubdunst eingehüllten Horizont. Die Erde lag hinter der Bergkette und war von hier aus nicht zu sehen.
Terra. Mutter Erde. Heimat. Die Erde würde mich mit Isolierung zeichnen, sobald sich mein Gesicht selbst brandmarkte. Ich durchforschte meine Seele und spürte nicht den geringsten Hauch von Liebe für diesen Planeten, auf dem ich geboren war. Ich entdeckte nur eine dunkle Tiefe, die sich mit der Zeit mit Haß füllen mochte. Auf der Erde zu leben, das bedeutete, ständig mit der eisigen Ablehnung der anderen Menschen konfrontiert zu werden, einsam und allein zu sein – und wenn ich mich in die Leere zwischen den Sternen hinauswagte, so mochte mich eine ähnliche Einsamkeit erwarten. Ein Unterschied in der Quantität, wenn nicht in der Qualität – und vielleicht auch in diesem Punkt. Wenn mein Körper um mich herum zu verwelken begann, würde die immortale Besatzung der In die Ferne mich schätzen gelernt haben, vielleicht sogar lieben. Sie würde mich verstehen und akzeptieren, etwas, wozu die Bevölkerung dort unten auf der Erde niemals fähig war.
Und wenn nicht? Aber es gäbe keine andere Möglichkeit für sie, sie hätte keine andere Wahl. Die Unsterblichen an Bord konnten mich nicht zurückschicken oder auf einer unbewohnten interstellaren Insel aussetzen. Sie unterzögen mich, der Form wegen, einer gründlichen Gesundheitsanalyse. Nun, sollten sie. Mit ihren Standardtests konnten sie meine Anomalie nicht spezifizieren, und in einer Welt, in der jeder unsterblich war, verlangte niemand ein Unsterblichkeitszertifikat. Sie konnten sich auch keine Unterlagen über meine Behandlung besorgen, jedenfalls nicht ohne meine Zustimmung, und die gewährte ich ihnen bestimmt nicht. Sie wollten Kinder: nun, ich ebenfalls. Und vielleicht würde sie auf einer fremden Welt die Notwendigkeit der Fortpflanzung in die Lage versetzen, die
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