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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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er­folg­reich ge­we­sen, hät­te ich für im­mer so aus­ge­se­hen. Aber ich hat­te be­stimm­te Stu­di­en be­trie­ben in der düs­te­ren Stil­le der Bi­blio­thek und mir dar­auf­hin ei­ne Chro­no­lo­gie für mich selbst er­stellt. Wenn ich Glück hat­te, wür­de ich so lan­ge le­ben, daß ich mei­nen zwei­hun­derts­ten Ge­burts­tag fei­ern konn­te. Die Sterb­li­chen vor der For­mung be­sa­ßen ei­ne Le­bens­er­war­tung von, wenn es hoch kam, neun­zig Jah­ren. Mit zwei­hun­dert wer­de ich ver­schrum­pelt und run­ze­lig sein, ver­welkt und schwach und zitt­rig und häß­lich. Mit hun­dert er­war­te­te mich das Sta­di­um, das zwi­schen die­sem und dem da­vor lag, das zwi­schen dem des mitt­le­ren Al­ters und der Se­ni­li­tät. Mit fünf­und­sieb­zig hät­te ich ge­ra­de die bes­ten Jah­re hin­ter mir – er­grau­en­des Haar, Fal­ten im Ge­sicht und am Kör­per, der Ver­stand noch flink und be­weg­lich, die Au­gen klar. Mit fünf­zig wä­re ich in vol­ler Rei­fe, und in den Au­gen­win­keln könn­ten sich klei­ne Kräu­se­lun­gen zei­gen. In den Au­gen der Sterb­li­chen ver­gan­ge­ner Zei­ten hät­te ei­ne Frau von vier­zig Jah­ren noch über­aus at­trak­tiv sein kön­nen. Aber Lip­pen­cotts Kin­der hat­ten nie je­man­den ge­se­hen, der so alt wirk­te, und sie fän­den mich gräß­lich. Wie auch ich mich gräß­lich fin­den wür­de.
    Wenn ich ir­gend­wo zwi­schen den Ster­nen starb, dann sah Greg noch im­mer ge­nau­so aus wie an je­nem Mor­gen, als er nackt aus un­se­rem zer­wühl­ten Bett ge­klet­tert war. Kei­ner von ih­nen wür­de sich ver­än­dern, wäh­rend ich ver­dorr­te und zu sab­bern be­gann – und schließ­lich starb.
    Ich trat ge­gen einen Stein, und er schweb­te eben­falls dem Tal­grund ent­ge­gen, wo­bei er ei­ne blas­se Staub­fah­ne hin­ter sich her­zog. Er schlug auf, roll­te wei­ter und blieb vier­zig Me­ter vom Schiff ent­fernt lie­gen, ein gan­zes Stück vor dem Schutz­feld. Ich streck­te mich, kam et­was in die Hö­he und blick­te zum fer­nen, wie mit Staub­dunst ein­gehüll­ten Ho­ri­zont. Die Er­de lag hin­ter der Berg­ket­te und war von hier aus nicht zu se­hen.
    Ter­ra. Mut­ter Er­de. Hei­mat. Die Er­de wür­de mich mit Iso­lie­rung zeich­nen, so­bald sich mein Ge­sicht selbst brand­mark­te. Ich durch­forsch­te mei­ne See­le und spür­te nicht den ge­rings­ten Hauch von Lie­be für die­sen Pla­ne­ten, auf dem ich ge­bo­ren war. Ich ent­deck­te nur ei­ne dunkle Tie­fe, die sich mit der Zeit mit Haß fül­len moch­te. Auf der Er­de zu le­ben, das be­deu­te­te, stän­dig mit der ei­si­gen Ab­leh­nung der an­de­ren Men­schen kon­fron­tiert zu wer­den, ein­sam und al­lein zu sein – und wenn ich mich in die Lee­re zwi­schen den Ster­nen hin­aus­wag­te, so moch­te mich ei­ne ähn­li­che Ein­sam­keit er­war­ten. Ein Un­ter­schied in der Quan­ti­tät, wenn nicht in der Qua­li­tät – und viel­leicht auch in die­sem Punkt. Wenn mein Kör­per um mich her­um zu ver­wel­ken be­gann, wür­de die im­mor­ta­le Be­sat­zung der In die Fer­ne mich schät­zen ge­lernt ha­ben, viel­leicht so­gar lie­ben. Sie wür­de mich ver­ste­hen und ak­zep­tie­ren, et­was, wo­zu die Be­völ­ke­rung dort un­ten auf der Er­de nie­mals fä­hig war.
    Und wenn nicht? Aber es gä­be kei­ne an­de­re Mög­lich­keit für sie, sie hät­te kei­ne an­de­re Wahl. Die Un­s­terb­li­chen an Bord konn­ten mich nicht zu­rück­schi­cken oder auf ei­ner un­be­wohn­ten in­ter­stel­la­ren In­sel aus­set­zen. Sie un­ter­zö­gen mich, der Form we­gen, ei­ner gründ­li­chen Ge­sund­heits­ana­ly­se. Nun, soll­ten sie. Mit ih­ren Stan­dard­tests konn­ten sie mei­ne An­oma­lie nicht spe­zi­fi­zie­ren, und in ei­ner Welt, in der je­der un­s­terb­lich war, ver­lang­te nie­mand ein Un­s­terb­lich­keits­zer­ti­fi­kat. Sie konn­ten sich auch kei­ne Un­ter­la­gen über mei­ne Be­hand­lung be­sor­gen, je­den­falls nicht oh­ne mei­ne Zu­stim­mung, und die ge­währ­te ich ih­nen be­stimmt nicht. Sie woll­ten Kin­der: nun, ich eben­falls. Und viel­leicht wür­de sie auf ei­ner frem­den Welt die Not­wen­dig­keit der Fort­pflan­zung in die La­ge ver­set­zen, die

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