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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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daß es mir bei­na­he die Fin­ger ver­brann­te; sie hat­te den Kopf un­ter den Bauch ge­scho­ben in dem ver­geb­li­chen Ver­such, so et­was Schat­ten zu fin­den. Ei­ne al­te Kat­ze, die auf den Platz ge­kom­men war, um zu ster­ben? Ei­ne al­te Kat­ze, die hier nicht den Tod ge­sucht hat­te, aber den­noch starb? Ich war da­von über­zeugt, daß sie kei­ne hal­be Stun­de mehr zu le­ben hat­te, wenn sie hier im pral­len Son­nen­licht blieb. Ich hob sie vor­sich­tig auf, öff­ne­te den obe­ren Haftsaum mei­nes Ko­stüms und schob die Kat­ze ins In­ne­re mei­ner Blu­se. Dann setz­te ich den Marsch in Rich­tung Ca­fe fort.
    Ich ge­lang­te an einen wei­te­ren Spring­brun­nen, schöpf­te mit der Hand ein we­nig Was­ser und bot es der Kat­ze an. Sie igno­rier­te es. Dar­auf­hin tauch­te ich den Fin­ger ins Was­ser, preß­te ihn ins win­zi­ge Maul der Kat­ze und schaff­te es, ei­ni­ge Trop­fen ih­re Keh­le hin­a­b­rin­nen zu las­sen. Doch das Tier blieb ge­nau­so apa­thisch wie zu­vor, und nur das leich­te He­ben und Sen­ken des Bau­ches zeig­te mir an, daß es noch leb­te. Ich spritz­te Was­ser auf mei­ne Blu­se, hoff­te, es wür­de so­wohl mir als auch der Kat­ze Küh­lung ver­schaf­fen, kon­zen­trier­te mich auf das im­mer noch fer­ne Ca­fe und setz­te mich wie­der in Be­we­gung.
    Grau­er Stein, brau­ner Stein, mar­mo­rier­ter Stein, schwar­zer Stein, brau­ner Stein, wei­ßer Stein, grau­er Stein. Wie vie­le Stei­ne gibt es im Uni­ver­sum? Wie vie­le auf die­sem ko­chend­hei­ßen und öden Platz? Mei­ne Fü­ße wa­ren Fels­mo­no­li­the, Nacken und Kopf eben­falls. Mein Haar be­stand aus ge­spon­ne­nem Gra­nit, mei­ne Ar­me aus Mar­mor, die Kat­ze aus Blei. Ei­ne al­te Kat­ze aus Blei. Ei­ne al­te Tia aus Blei. Wei­ßer Stein, grau­er Stein, brau­ner Stein, wei­ßer Stein und plötz­lich Schat­ten und Stim­men. Ich sah auf und stell­te fest, daß ich mich im Ca­fe be­fand.
    Um mich her­um erstar­ben die Stim­men in kon­zen­tri­schen Krei­sen. Ich ließ mich mü­de auf ei­nem höl­zer­nen Stuhl nie­der, hol­te die Kat­ze aus mei­ner Blu­se und leg­te sie auf den Tisch vor mir.
    „Brin­gen Sie mir et­was Was­ser“, bat ich den Kell­ner halb­laut, und er kehr­te so­fort mit ei­nem Glas zu­rück. Ich be­feuch­te­te einen Fin­ger und ver­such­te, das Maul der Kat­ze zu öff­nen. Der Kie­fer gab nach und hing schlaff nach un­ten. Ich ließ die küh­le Näs­se auf die Zun­ge trop­fen. Die Kat­ze rühr­te sich nicht. Ich ver­such­te es er­neut.
    „Bit­te, mei­ne Da­me, die Kat­ze ist tot“, sag­te der Kell­ner mit schmerz­li­cher Mie­ne.
    Ich be­müh­te mich wei­ter­hin, mit dem Fin­ger et­was Was­ser ins Maul der Kat­ze trop­fen zu las­sen. Es rann über mei­nen Fin­ger­na­gel, be­netz­te die ro­te Höh­lung und floß am Kie­fer ent­lang auf den Tisch. Das Tier be­weg­te sich nicht.
    „Mei­ne Da­me, bit­te, die Kat­ze ist tot“, wie­der­hol­te der Kell­ner und nahm das Glas auf. Ich sah zu ihm hoch, dann wie­der auf den Tisch.
    Die Kat­ze rühr­te sich nicht.
    „War das viel­leicht Ih­re Kat­ze?“
    „Nein, mei­ne nicht. Nein. Tot?“
    „Ich fürch­te, ja. Soll ich sie fort­schaf­fen?“
    „Tot?“
    „Es war nur ein Tier. Tie­re ster­ben, wis­sen Sie.“
    „Nur ein Tier.“
    „Ge­nau.“ Er reich­te mir ein neu­es Glas Was­ser, und ich nipp­te dar­an und starr­te da­bei auf die to­te Kat­ze. Von ei­nem Au­gen­blick zum an­de­ren hat­te ich den Ein­druck, als hät­te sie zu ver­we­sen be­gon­nen, als näh­me ich den Ge­stank ih­rer Zer­set­zung wahr, und ich wand­te mich von dem Ka­da­ver ab.
    „Ja, brin­gen Sie sie weg.“ Der Kell­ner wink­te zwei Kol­le­gen her­bei. Ge­mein­sam pla­zier­ten sie vor­sich­tig einen Schwe­ber un­ter dem Tisch und scho­ben ihn dann samt der Kat­ze am Ca­fe ent­lang fort.
    „Möch­ten Sie et­was be­stel­len?“ frag­te der Kell­ner, als er zu­rück­kehr­te. Er stell­te einen neu­en Tisch vor mir auf, fal­te­te den Schwe­ber fein säu­ber­lich zu­sam­men und ver­stau­te ihn in der Ho­sen­ta­sche.
    „Nein, äh, im Au­gen­blick nicht. Was ma­chen Sie mit der Kat­ze?“
    „Sie wird na­tür­lich ins Ver­wer­tungs­sys­tem

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