Versunkene Inseln
daß es mir beinahe die Finger verbrannte; sie hatte den Kopf unter den Bauch geschoben in dem vergeblichen Versuch, so etwas Schatten zu finden. Eine alte Katze, die auf den Platz gekommen war, um zu sterben? Eine alte Katze, die hier nicht den Tod gesucht hatte, aber dennoch starb? Ich war davon überzeugt, daß sie keine halbe Stunde mehr zu leben hatte, wenn sie hier im prallen Sonnenlicht blieb. Ich hob sie vorsichtig auf, öffnete den oberen Haftsaum meines Kostüms und schob die Katze ins Innere meiner Bluse. Dann setzte ich den Marsch in Richtung Cafe fort.
Ich gelangte an einen weiteren Springbrunnen, schöpfte mit der Hand ein wenig Wasser und bot es der Katze an. Sie ignorierte es. Daraufhin tauchte ich den Finger ins Wasser, preßte ihn ins winzige Maul der Katze und schaffte es, einige Tropfen ihre Kehle hinabrinnen zu lassen. Doch das Tier blieb genauso apathisch wie zuvor, und nur das leichte Heben und Senken des Bauches zeigte mir an, daß es noch lebte. Ich spritzte Wasser auf meine Bluse, hoffte, es würde sowohl mir als auch der Katze Kühlung verschaffen, konzentrierte mich auf das immer noch ferne Cafe und setzte mich wieder in Bewegung.
Grauer Stein, brauner Stein, marmorierter Stein, schwarzer Stein, brauner Stein, weißer Stein, grauer Stein. Wie viele Steine gibt es im Universum? Wie viele auf diesem kochendheißen und öden Platz? Meine Füße waren Felsmonolithe, Nacken und Kopf ebenfalls. Mein Haar bestand aus gesponnenem Granit, meine Arme aus Marmor, die Katze aus Blei. Eine alte Katze aus Blei. Eine alte Tia aus Blei. Weißer Stein, grauer Stein, brauner Stein, weißer Stein und plötzlich Schatten und Stimmen. Ich sah auf und stellte fest, daß ich mich im Cafe befand.
Um mich herum erstarben die Stimmen in konzentrischen Kreisen. Ich ließ mich müde auf einem hölzernen Stuhl nieder, holte die Katze aus meiner Bluse und legte sie auf den Tisch vor mir.
„Bringen Sie mir etwas Wasser“, bat ich den Kellner halblaut, und er kehrte sofort mit einem Glas zurück. Ich befeuchtete einen Finger und versuchte, das Maul der Katze zu öffnen. Der Kiefer gab nach und hing schlaff nach unten. Ich ließ die kühle Nässe auf die Zunge tropfen. Die Katze rührte sich nicht. Ich versuchte es erneut.
„Bitte, meine Dame, die Katze ist tot“, sagte der Kellner mit schmerzlicher Miene.
Ich bemühte mich weiterhin, mit dem Finger etwas Wasser ins Maul der Katze tropfen zu lassen. Es rann über meinen Fingernagel, benetzte die rote Höhlung und floß am Kiefer entlang auf den Tisch. Das Tier bewegte sich nicht.
„Meine Dame, bitte, die Katze ist tot“, wiederholte der Kellner und nahm das Glas auf. Ich sah zu ihm hoch, dann wieder auf den Tisch.
Die Katze rührte sich nicht.
„War das vielleicht Ihre Katze?“
„Nein, meine nicht. Nein. Tot?“
„Ich fürchte, ja. Soll ich sie fortschaffen?“
„Tot?“
„Es war nur ein Tier. Tiere sterben, wissen Sie.“
„Nur ein Tier.“
„Genau.“ Er reichte mir ein neues Glas Wasser, und ich nippte daran und starrte dabei auf die tote Katze. Von einem Augenblick zum anderen hatte ich den Eindruck, als hätte sie zu verwesen begonnen, als nähme ich den Gestank ihrer Zersetzung wahr, und ich wandte mich von dem Kadaver ab.
„Ja, bringen Sie sie weg.“ Der Kellner winkte zwei Kollegen herbei. Gemeinsam plazierten sie vorsichtig einen Schweber unter dem Tisch und schoben ihn dann samt der Katze am Cafe entlang fort.
„Möchten Sie etwas bestellen?“ fragte der Kellner, als er zurückkehrte. Er stellte einen neuen Tisch vor mir auf, faltete den Schweber fein säuberlich zusammen und verstaute ihn in der Hosentasche.
„Nein, äh, im Augenblick nicht. Was machen Sie mit der Katze?“
„Sie wird natürlich ins Verwertungssystem
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