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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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    Mahlia schüttelte die Tablettenpackungen. » Wie viele muss ich ihm geben? «
    Mahfouz’ Stimme nahm einen scharfen Tonfall an. » Wenn du das machst, kannst du auf meine Hilfe nicht mehr zählen. Ich habe mich so gut wie möglich um dich gekümmert, aber das geht einfach zu weit. «
    Mahlia fühlte sich, als wäre sie gerade aus einem der Häusertürme in den versunkenen Städten gesprungen. Als ob sie im freien Fall auf die Kanäle zustürzte. Es gab kein Sicherheitsnetz mehr. Nichts, was ihren Sturz aufhalten könnte.
    Ein Teil von ihr wollte alles zurücknehmen und sich bei dem Arzt entschuldigen. Verhindern, dass das Band des Vertrauens, das zwischen ihnen bestand, endgültig riss.
    Bist du dabei oder nicht?
    Mahlia blickte zwischen dem sterbenden Halbmenschen und dem Arzt hin und her. Irrte sie sich? Machte sie einen Fehler? Bei den Parzen, es war unmöglich festzustellen.
    Aber dann sah sie den enttäuschten Gesichtsausdruck des Arztes und wusste, dass es keine Rolle spielte. Sie hatte ihre Wahl bereits getroffen, als sie das Messer gezogen hatte. Der alte Mahfouz hatte nie jemandem etwas zuleide getan, und sie hatte ihn mit einem Messer bedroht. Was geschehen war, war geschehen. Es gab kein Zurück mehr. Ihr Vater hatte recht gehabt, ihre Herkunft aus den versunkenen Städten ließ sich nicht leugnen. Das Vertrauen des Arztes in sie war zerstört. Und es ließ sich nicht wiederherstellen.
    Â» Wie viele Tabletten? «
    Doktor Mahfouz wandte den Kopf ab. » Vier. Am Anfang. Bei dem Gewicht von dem Ungetüm brauchst du vier von den blauweißen Tabletten. «
    Mahlia suchte nach dem richtigen Mittel und nahm die Tabletten aus der Packung. Sie würde sie zerdrücken und in Wasser auflösen müssen, um sie dem Geschöpf in seinem bewusstlosen Zustand zu verabreichen. Sie fragte sich, ob sie noch rechtzeitig kam. Ob nicht ohnehin schon alles verloren war.
    Â» Vier, sagen Sie? «
    Der Arzt nickte. Die Enttäuschung war an seiner Miene deutlich abzulesen. » Einmal täglich, so lange bis alle Tabletten aufgebraucht sind. «
    Willst du das wirklich tun?, fragte sie sich. Bist du wirklich fest entschlossen?
    Ja. Das war sie. Sie hatte ihre Wahl getroffen, und es gab kein Zurück mehr.

1 5
    Ocho lehnte sich gegen eine rußverschmierte Wand des Gebäudes, in dem der Arzt gewohnt hatte, und betastete vorsichtig die Wunden, die er selbst neu genäht hatte. Der Halbmensch hatte ihm die komplette Brust aufgerissen, aber die Wunden begannen bereits zu heilen. Die neuen Nähte waren schief und krumm, doch sie würden halten. Und die Schmerzen in seiner Brust waren nichts im Vergleich zu dem Brennen auf seinem Rücken.
    Zwanzig Stockschläge dafür, dass er Mist gebaut hatte. Sayle war vor den schweigenden Soldaten auf und ab gegangen und hatte gesagt: » Versager werden nicht toleriert! Keine Ausreden! Mir ist egal, ob ihr bekifft oder betrunken seid, ob euch die Beine weggeschossen wurden oder ihr euch für den Oberst persönlich haltet– ihr seid Soldaten, klar? « Und dann hatte er Ocho seine Hiebe verabreicht.
    Van kam zu ihm herüber. » Wie geht’s den Nähten, Sergeant? «
    Â» Besser als meinem Rücken. «
    Van grinste. Er war eine magere, kleine Kriegsmade, dem ein Ohr und zwei Schneidezähne fehlten. Soweit Ocho sich erinnern konnte, hatte sich Van im Kampf gegen die Kojwölfe tapfer geschlagen. Vielleicht hatte er sogar die vollen Rauten verdient. Ocho beschloss, den Jungen zum Gefreiten zu machen. Ihm die Chance zu geben, sich wirklich zu beweisen.
    Â» Sie haben da ordentlich was abbekommen « , sagte Van.
    Â» Hab schon Schlimmeres erlebt. «
    Â» Alle hier wissen, dass es nicht Ihre Schuld war. Als wir Sie gefunden haben, konnten Sie nicht mal klar reden. «
    Ocho schnaubte. » Schon gut. Der Leutnant hat recht. Wir müssen unsere Disziplin bewahren. Wenn wir die nicht haben, haben wir nichts. Der Rang spielt keine Rolle. Fehler darf sich keiner von uns erlauben. «
    Â» Na ja, Sie waren so betäubt, dass Sie nichts mehr mitbekommen haben. « Van zögerte, dann sagte er: » Der Leutnant will Sie oben sehen. «
    Â» Hat er gesagt, warum? «
    Van wich seinem Blick aus. » Nein. «
    Ocho sah an dem verkohlten Gebäude hoch. Sayle hatte befohlen, im obersten Stockwerk eine Aussichtsplattform einzurichten. Beton und Eisenträger waren

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