Versunkene Staedte
Doktor Mahfouz lächelte. » Ganz so schlimm ist das nicht. «
» Aber Sie wissen doch, dass die Soldaten wiederkommen werden. Wenn es nicht die VPF ist, dann ist es die Gottesarmee oder irgendjemand anders. Und dann werden wir wieder fliehen müssen. «
» Der Krieg wird nicht ewig gehen. «
Mahlia starrte Mahfouz nur ungläubig an. » Das meinen Sie nicht ernst, oder? « Aber an seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass er es sehr wohl ernst meinte. Er glaubte wirklich, dass sich alles zum Besseren wenden würde. Es war, als würde er in einer Traumwelt leben und nicht sehen, was um ihn herum geschah.
Mahfouz war wie Mahlias Mutter. Die hatte auch immer geglaubt, man könnte mit den Soldaten vernünftig reden und sie mit Kunstwerken und Antiquitäten bestechen. Sie hatte gedacht, Mahlia und sie könnten auch nach dem Abzug der Friedenswächter noch in Sicherheit sein.
Als die Kriegsherren die Stadt überrannt hatten, hatte sie darauf vertraut, dass Mahlias Vater zurückkehren würde, um sie zu holen. Und als er nicht kam, hatte sie behauptet, sie könnten sich jederzeit von einem der Plündererschiffe mitnehmen lassen, obwohl nicht ein einziges mehr im Hafen verblieben war.
Mahlias Mutter hatte die Realität einfach nicht wahrnehmen wollen. Sie hatte sich selbst etwas vorgemacht.
» Komm schon, du Made! «
Mouse saà auf einem niedrigen Ast und sah zu ihr herüber, ein kleiner Schatten inmitten der hohen Bäume und herabhängenden Kletterpflanzen.
» Wir sollten los, Mahlia. «
Der Arzt blickte sie erwartungsvoll an, so selbstbewusst, wie Erwachsene sich immer gaben, wenn sie der Meinung waren, eine Situation unter Kontrolle zu haben. Mouse bedeutete ihr, sich zu beeilen, aber Mahlia rührte sich nicht von der Stelle.
Immer war sie auf der Flucht. Wie ein Kaninchen, das von Kojwölfen gejagt wurde. Immer auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf. Und jedes Mal fanden die Soldaten sie und zwangen sie dazu, erneut zu fliehen. Der Arzt irrte sich. Für sie gab es kein Versteck, und solange sie in der Nähe der versunkenen Städte blieb, würde sie niemals sicher sein.
Sie sah zu dem sterbenden Halbmenschen hinüber. Zwischen den Wurzeln der Banyanbäume war das Geschöpf nur ein dunkler Hügel, der mit den Schatten verschmolz. Kojwolfbeute. Ein weiteres Skelett, auf das irgendwann jemand stoÃen und sich fragen würde, was mit ihm wohl geschehen war.
Mouse kam zu ihr gelaufen und zog an ihrem Arm. » Komm schon, Mahlia. Nach dem, was du diesen Soldaten angetan hast, werden die bestimmt nicht auf der faulen Haut liegen. «
Sie rührte sich nicht. » Der Halbmensch hat dich freigelassen? «
» Ja, und? Jetzt komm mit. Wir haben nicht viel Zeit. « Er sah zu dem reglosen Ungeheuer hinüber. » Seine Zähne werde ich nicht mitnehmen, falls du darüber nachdenkst. Auf keinen Fall. Selbst wenn das Biest hundertprozentig tot wäre, würde ich es nicht anrühren. «
» Du könntest sie sowieso nicht verkaufen « , sagte sie. » Das war eine blöde Idee. «
Doktor Mahfouz berührte sie ebenfalls an der Schulter. » Wenn wir tiefer in den Sumpf hineingehen, werden die Soldaten uns nicht folgen. Ihre Hunde werden unsere Spur verlieren, und wir werden in Sicherheit sein. Wir werden warten, bis sie verschwunden sind, so wie wir es immer tun. Aber wir müssen jetzt los. «
In Sicherheit?
Beinahe hätte Mahlia gelacht. Wegzulaufen bedeutete nicht, in Sicherheit zu sein. Das war noch nie so gewesen, und es würde auch nie so sein. So viel war ihr jetzt klar geworden. Sie war genauso dumm gewesen wie ihr Vater, der von der Ãberlegenheit der Friedenswächter überzeugt gewesen war, und ihre Mutter, die gedacht hatte, ein Soldat aus einem fremden Land würde sie lieben und sich nicht nur für ihre wertvollen Antiquitäten interessieren, und Doktor Mahfouz, der an das Gute im Menschen glaubte.
» Ich habe versprochen, dem Halbmenschen Medikamente zu geben « , sagte sie.
» Aber nur, weil er damit gedroht hat, mich umzubringen « , sagte Mouse. » Das tut er jetzt nicht mehr. Also, lass uns verschwinden. «
Aber Mahlia spürte, wie eine Idee in ihrem Geist Gestalt annahm und einen Schimmer Hoffnung mit sich brachte. Etwas, das besser funktionieren könnte als dieses ständige Weglaufen und sich Verstecken. » Ich habe gesagt, ich werde
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