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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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dieser furchterregenden Schimäre aus Krieg und Wissenschaft jedoch nicht standhalten würden.
    Die Tür schabte über den Boden.
    Der Wärter ging auf den Kadaver zu. Gegen alle Vernunft rann es ihm kalt den Rücken hinunter. Noch im Tod war das Geschöpf furchterregend. Der Wärter hatte einmal mit angesehen, wie seine massigen Fäuste den Schädel eines Mannes zerquetscht hatten. Wie das Ungeheuer sechs Meter weit gesprungen war, um seine Fänge in den Hals eines Panthers zu schlagen.
    Es hatte sich zum Sterben zusammengerollt. Und trotzdem war es noch riesig. Zu Lebzeiten war es gigantisch gewesen, hatte gewöhnliche Menschen um einiges überragt. Doch nicht seine Größe war es, was das Ungeheuer so tödlich gemacht hatte. Das Blut von einem Dutzend Raubtieren floss in seinen Adern, ein mörderischer DNA -Cocktail– Tiger, Hund, Hyäne und wer weiß, was noch alles. Ein vollkommenes Geschöpf, dazu geschaffen, zu jagen, zu töten und Krieg zu führen.
    Obwohl es wie ein Mensch aufrecht gegangen war, hatte es die Fänge eines Tigers besessen, das scharfe Gehör eines Schakals und die Nase eines Bluthunds. Der Wärter hatte es oft genug im Ring kämpfen gesehen– eher würde er einem Dutzend Männern mit Macheten gegenübertreten wollen als diesem Hurrikan der Mordlust.
    Eine ganze Weile stand er da und betrachtete das Ungetüm. Es atmete nicht. Zeigte keinerlei Regung. War die Töle einst stark, lebendig und tödlich gewesen, war sie jetzt nur noch ein Fall für die Organsammler.
    Endgültig dahin.
    Er ging auf die Knie und fuhr mit der Hand durch das kurze Fell des Ungeheuers. » Eine Schande ist das. Warst ein richtiger Goldesel. Ich hätte gerne noch gesehen, wie du gegen die Kojwölfe kämpfst, die wir gefangen haben. Da hätte die Kasse geklingelt. «
    Ein goldenes Auge voller Bösartigkeit flammte in der Dunkelheit auf.
    Â» Ja, wirklich eine Schande « , knurrte das Ungeheuer.
    Â» Raus da! « , schrie der Schlüsselmeister, aber es war zu spät.
    Ein Schatten erwachte explosionsartig zum Leben. Der Wärter wurde gegen die Zellenwand geschleudert und fiel zu Boden wie ein Sack Lehm.
    Â» Macht die Tür zu! «
    Das Ungeheuer brüllte, und das Gitter fiel zu. Der Schlüsselmeister versuchte hastig, die Zellentür wieder zu verschließen. Er sprang einen Schritt zurück, als das Ungeheuer sich fauchend und mit gefletschten Tigerzähnen gegen das Gitter warf.
    Die Eisenstäbe verbogen sich. Die Wärter zogen ihre Schockstäbe aus dem Gürtel. Blaue Funken sprühten, als sie nach dem Geschöpf schlugen, um es auf Abstand zu halten, damit der Schlüsselmeister die zweite Zellentür schließen konnte. Sie griffen nach ihren Pistolen– hartgesottene Mörder, die das Fauchen des Ungeheuers in ein zitterndes Häuflein Angst verwandelt hatte. Das Geschöpf warf sich erneut gegen die Gitterstäbe. Rostiges Eisen knackte und verbog sich.
    Â» Das Gitter gibt nach! Lauft! «
    Doch der Schlüsselmeister fummelte weiter verbissen am Schloss des zweiten Gitters herum. » Hab’s fast geschafft! «
    Das Ungeheuer riss einen verrosteten Gitterstab aus der Halterung und schlug damit nach dem Schlüsselmeister. Das Eisen knallte gegen den Schädel des Mannes, und er ging zu Boden. Die anderen Wärter flohen laut um Hilfe rufend den Gang hinunter.
    Das Ungeheuer riss noch mehr Gitterstäbe heraus und vergrößerte die Öffnung. Die anderen Gefangenen hatten ebenfalls angefangen, um Hilfe zu schreien oder um Gnade zu betteln. Ihre Rufe hallten im Gefängnis wider wie die von eingesperrten Vögeln.
    Das erste Gitter gab nach– blieb nur noch das zweite. Das Ungeheuer überprüfte die Tür. Verschlossen. Knurrend ging das Geschöpf in die Hocke und schob seine riesige Faust zwischen den Gitterstäben hindurch, um nach dem Fuß des Schlüsselmeisters zu greifen. Es zog den Mann näher heran.
    Kurz darauf hatte es den Schlüssel in der Hand und schob ihn in das Schloss. Mit einem Klicken gab dieses nach. Die Tür öffnete sich quietschend.
    Einen Eisenstab seines einstigen Gefängnisses fest umklammert, hinkte das Geschöpf namens Tool durch den Zellenblock zu den Treppen und stieg ins Licht hinauf.

2
    Tool lief mehrere Kilometer. Er war dazu geschaffen worden, und selbst verwundet bewegte er sich noch mit einer

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