Vertrau deinem Herzen
sehen, die an der Decke angebracht war. Blut hatte sich wie ein Teppich unter ihm ausgebreitet. Es sieht immer schlimmer aus, als es ist, sagte er sich. Das sagte er seinen Patienten auch immer.
Der Schwärm stieß herab, ein wildes Durcheinander aus schwarzen Anzügen und Uniformen, als der Secret Service sich daranmachte, den Verrückten abzuführen und den Präsidenten in Sicherheit zu bringen.
Sergeant Harris war kalt, und er war auf dem Weg in die Dunkelheit. Er konnte fühlen, wie er sich selbst entglitt und in ein dunkles Loch fiel.
„Machen Sie Platz!“, rief eine laute Stimme. Die Worte hallten nach, dann verschwanden sie. „Dieser Mann braucht Hilfe!“
2. TEIL
„Der beste Weg, ein Problem aus der Welt zu schaffen, ist, es zu lösen.“
Alan Saporta, amerikanischer Musiker
2. KAPITEL
Port Angeles, Washington
Sommer
D ie ganze Welt weiß doch, dass jede alleinerziehende Mutter auf der dringenden Suche nach einem Ehemann ist.“ Mable Ciaire Newman blinzelte durch ihre Katzenaugenbrille aus den Fünfzigerjahren.
„Sehr lustig“, erwiderte Kate Livingston, die ihr gegenübersaß. „Das sagst du jedes Jahr.“
„Weil du jeden Sommer herkommst und immer noch Single bist.“
„Vielleicht gefällt es mir, Single zu sein“, antwortete Kate.
Aus dem Fenster der Hausverwaltung schaute Mable Ciaire dem halbwüchsigen Jungen und seinem ausgewachsenen Beagle zu, die in Kates Jeep ein wildes Zerrspiel mit einer Socke veranstalteten. „Gehst du im Moment wenigstens mit jemandem aus?“
„Das erste Date bekomme ich hin. Das Problem liegt eher darin, die Männer zu einem zweiten Treffen zu überreden.“ Kate schenkte ihrer mütterlichen Freundin ein selbstironisches Lächeln, beinahe übermütig und gerade breit genug, um sich dahinter zu verstecken. Kate hatte Aaron mit zwanzig bekommen und schon immer sehr viel jünger ausgesehen, als sie wirklich war. Viele Männer waren überrascht, dass sie Mutter war. Aber wenn sie dann mitbekamen, wie anstrengend ihr Junge war, neigten sie dazu, sich gleich wieder auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden.
„Dann sind sie verrückt! Du hast einfach noch nicht den Richtigen getroffen.“ Mable Ciaire blinzelte ihr zu. „Im Haus von den Schroeders wohnt ein Mann, den du dir mal genauer ansehen solltest.“
Kate schüttelte sich übertrieben. „Ich glaube nicht.“
„Warte nur, bis du ihn siehst! Das wird deine Meinung ändern.“ Sie öffnete einen Schrank, in dem diverse Schlüssel hingen, und fand den mit Kates Namen darauf. „Ich hatte dich eigentlich erst morgen erwartet.“
„Wir haben uns entschieden, schon einen Tag früher herzukommen“, sagte Kate und hoffte, dass es keine weiteren Fragen geben würde. Auch wenn Mable Ciaire sie seit dem ersten Sommer ihres Lebens kannte, war sie noch nicht bereit, über das zu reden, was passiert war. „Ich hoffe, dass das in Ordnung ist?“
„Was sollte falsch daran sein, den Sommer einen Tag früher zu beginnen? Das Reinigungsteam und die Gärtner sind bereits bei euch gewesen. Ist die Schule denn schon zu Ende?“ Sie neigte leicht den Kopf, um einen besseren Blick auf Kates Jungen werfen zu können. „Ich dachte, die Kinder hätten noch eine Woche.“
„Nein, die letzte Glocke des Schuljahres klingelte gestern um Viertel nach drei, und heute ist die dritte Klasse für Aaron schon nicht mehr als eine schlechte Erinnerung.“ Kate suchte nach ihrem Schlüsselbund. In ihrer Tasche flogen tausend kleine Notizzettel umher, die sie brauchte, weil sie ihrem eigenen Gedächtnis nicht traute. Außerdem hatte sie so das Gefühl, organisiert zu sein und alles unter Kontrolle zu haben – auch wenn es die meiste Zeit über nicht stimmte. Für den Sommer hatte sie sich eine Fülle von Projekten vorgenommen. Sie musste das untere Badezimmer im Sommerhaus neu verfugen, die Fensterrahmen streichen, ganz zu schweigen davon, dass sie die Beziehung zu ihrem Sohn vertiefen, sich einen anderen Beruf überlegen und zu sich selbst finden musste.
In dieser Reihenfolge? Kate schüttelte unmerklich den Kopf. Sie musste sich doch sehr über ihre Prioritäten wundern.
„Und das ist in Ordnung für euch“, unterbrach Mable Ciaire ihre Gedanken, „so ganz allein in dem großen, alten Haus?“
„Klar! Wir kommen schon zurecht“, beruhigte Kate sie, auch wenn es sich komisch anfühlte, die Einzige aus der Familie zu sein, die diesen Sommer am See verbringen würde. Jedes Jahr pilgerten alle Mitglieder der Livingstons
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