Vertrau mir! - Thriller
treffen sollte, und da waren lauter Professoren an Bord, also nutzlos für die Gesellschaft, und niemand wird sie vermissen. In dieser Tonart ging es weiter, doch irgendwo in dem langen Brief musste der Keim einer Antwort verborgen liegen, ein triftiger Grund für diesen Wahnsinn. Luke hatte ihn nicht gefunden.
»Sag mir eins«, begann Luke erneut. »Dein Klient. Wer immer es ist, er will jedenfalls potenzielle Terroristen finden, bevor sie von der Absicht zur Tat schreiten, nicht wahr? Das ist nicht bloß ein harmloses Projekt zur Erstellung von möglichen Täterprofilen, oder?«
»Luke. Terroristen aufzuspüren ist weit mehr, als die Kommentare von unzufriedenen, frustrierten Leuten in InternetForen zu sammeln.«
»Aber wir wissen doch, dass viele Extremisten wirklich über das Internet zueinanderkommen. Wenn wir sie herauspicken und sie von ihrem Vorhaben abbringen könnten, bevor sie etwas unternehmen, wenn wir es schaffen, dass der Schritt zur Gewalt für sie unattraktiv oder unmöglich wird …« Luke stand vom Computer auf und trat ans Fenster. »Jeder dieser Typen mag harmlos sein, vielleicht aber auch eine tickende Zeitbombe. Zehntausend Kommentare, Hunderte von Leuten, aber ich kann nicht beweisen, dass irgendeiner von ihnen wirklich eines Tages Terrorist wird. Ich finde, man sollte jetzt versuchen, sie davon zu überzeugen, dass Gewalt doch keine Lösung ist.«
»Du hast tolle Arbeit geleistet, und mein Klient wird das Material studieren. Man kann nie wissen, vielleicht hast du wirklich den nächsten Timothy McVeigh gefunden, oder den Nächsten, der Anthrax in den Kongress schicken würde oder der sich für Al-Kaida hält. Aber du hast so viel Zeit
investiert; ich fürchte langsam, dass das ein bisschen ungesund wird.«
»Nein. Ich will das Projekt zu Ende bringen. Aber …«
»Aber was?«
»Die Mail-Accounts, die ich einrichten musste - diese EMails zeigen, dass diese Leute alle denken, ich würde mich an ihrem Kampf beteiligen … Was ist, wenn die mich finden? Obwohl ich von verschiedenen Adressen aus schreibe und jede Menge falsche Namen benutze. Jemand könnte mich aufspüren, wenn er’s wirklich will.«
»Aber diese Leute sind auf der anderen Seite des Bildschirms, in ihrem Märchenland.« Henry tippte auf den Monitor. »Du lebst nicht wirklich in einer gefährlichen Welt.«
»Wahrscheinlich nicht.« Jedenfalls nicht mehr. Er hatte nie mit Henry über die Zeit gesprochen, nachdem sein Vater gestorben war, als Luke von zu Hause weglief und zwei Monate auf der Straße lebte. Es hätte keinen Sinn gehabt; das war eine dunkle Stelle in seinem Leben, hinter der er längst die Tür zugemacht hatte.
»Kannst du mich morgen zum Flughafen bringen? Meine Maschine geht am Nachmittag. Ich habe den ganzen Vormittag irgendwelche Sitzungen an der Universität.« Es war, als hätte sein Stiefvater gar nichts von den Befürchtungen mitbekommen, die er gerade geäußert hatte. Henry, dachte er, war längst mit seiner nächsten Idee beschäftigt.
»Sicher.« Eine Antwort auf einen von Lukes Kommentaren erschien auf dem Bildschirm: Du hast verdammt Recht, wir werden nen Rassenkrieg haben in diesem Land. Diese Leute, die wir hier nicht haben wolln, die müssen raus. Wenn ein paar umkommen, werden die andern umso schneller abhaun. Vielleicht können wir zwei uns mal treffen und quatschen. Ich könnt sehen, ob du’s ernst meinst oder nicht.
Henry las die Botschaft. »Du legst deine Köder geschickt aus, Luke. Sehr geschickt. Aber hör mir zu.« Und Luke dachte nicht ohne Zuneigung: Jetzt versucht Henry wieder mal, ein Dad zu sein. Gleich legt er dir die Hand auf die Schulter … genau. Und jetzt kommt der gut gemeinte Rat. »Luke. Ich hasse Gefühlsduselei. Aber …«
»Ich weiß. Ich bin der einzige nahe Angehörige, den du hast.« Luke hielt inne. »Klingt wie eine Grußkarte von der Shawcross Group.«
»Also wirklich, Luke«, sagte Henry vorwurfsvoll, doch er lächelte dabei, was selten genug vorkam. »Als ich deine Mom geheiratet habe, da hab ich ihr versprochen, dass ich mich um dich kümmern würde, sollte ihr irgendwas zustoßen. Für mich war das ein feierliches Versprechen.«
Seine Mutter. Luke ließ die Fotos von ihr jedes Mal verschwinden, wenn er wusste, dass Henry kam; es war einfach noch zu schmerzhaft für Henry. Der Autounfall war erst ein Jahr her.
»Henry, behandle mich nicht wie ein Kind. Es ist nicht nötig, dass du dich um mich kümmerst.«
»Gewohnheiten wird man nicht so leicht
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