Vertrau mir
und wem die Durchführung obliegt. So weit alles klar?« Wallbach machte eine kurze Pause, in der er seine Kollegen und besonders Maike musterte. Dann nickte er. »Unsere SOKO hat es dieses Mal mit einem Entführungsfall besonderer Art zu tun. Die Täter haben ein Bekennerschreiben geschickt. Es handelt sich um eine Gruppe Anarchisten aus der Tierschützerszene. Das Motiv ist klar. Die beiden Entführten, Manager eines Pharmakonzerns, werden für zahlloses Tiersterben in Versuchslaboren mitverantwortlich gemacht. Bis jetzt wurden von den Entführern keine Forderungen gestellt. Die Opfer sind jedoch laut unseren Psychologen hochgradig gefährdet. Das ergibt sich aus der Szene, die als sehr gewaltbereit eingeschätzt wird. Um die Situation genauer zu erklären, muss ich weiter ausholen.« Wallbach machte eine kleine Pause, sah in die Runde, um sich der Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu versichern. »In den letzten Jahren entstand in der Tierrechtsbewegung eine neue Taktik. In sogenannten Kampagnen schließen sich Tierrechtler über die Landesgrenzen hinaus zusammen. Ihre Aktionen richten sich weltweit gegen alle Firmen, die Aufträge an Tierlabors geben oder sonst irgend etwas mit den Labors zu tun haben. Zuallererst natürlich gegen die Auftraggeber der Tierversuche und diejenigen, welche die Tiere für Versuche züchten. Aber auch deren Banken, Aktionäre, Kunden, Versicherer bis hin zum Internetprovider.
Untermauert werden diese Kampagnen mit Bildern aus Versuchslabors, die einzelne Tierrechtler, als Mitarbeiter getarnt, heimlich filmen. Diese Berichte haben immer wieder für großes Aufsehen gesorgt. Sie zeigen, wie brutal mit den Tieren umgegangen wird. Auch in Deutschland gibt es aktuelle Beispiele. Das Ansehen der Labors und ihrer Auftraggeber leidet dadurch natürlich drastisch. Deshalb versuchen die Firmen, diese Bilder per Gericht zu verbieten. Die Kampagnen machen allen, bis hin zum Mann auf der Straße, klar, was hinter den Mauern der Labors vorgeht. Mit Erfolg. In der Vergangenheit gab schon so mancher Kunde die Geschäftsbeziehungen zu diesen Labors auf. Niemand möchte seine Produkte mit Tierquälerei in Verbindung gebracht haben.
So weit, so gut. Normalerweise befassen wir uns in dieser Szene mit Delikten wie Hausfriedensbruch bei der Besetzung von Büros oder Einbruch in Zusammenhang mit Tierbefreiungsaktionen. Es wird psychischer Terror auf Angestellte der Firmen ausgeübt, die in den Labors arbeiten. Es passieren auch schon mal Unfälle, bei denen der Verdacht besteht, dass es sich dabei um einen Anschlag handelt. Alles in allem tun wir uns schwer mit Festnahmen. Sie sind sehr sporadisch. Was das Problem kompliziert macht: Es gibt keine Organisation, von der alle Aktionen ausgehen, nur kleine und selten feste Gruppen. Es gibt auch keine Festlegung über die Aktionsform. Im Prinzip kann jeder Organisator oder Teilnehmer einer Kampagne sein, der eine Idee dazu hat. Das Repertoire ist breit. Der Phantasie der Akteure sind keine Grenzen gesetzt. Der Aufruf der Tierschützer an alle ist schlicht, aber eindringlich: Werdet aktiv. Werdet Teil der Kampagne.«
Wallbach hielt kurz inne, gab der kleinen Gruppe im Raum eine Verschnaufpause, um die Flut der Informationen zu verarbeiten. Dann fuhr er fort. »Ein paar Anarchisten haben sich diesen Aufruf zu Herzen genommen und eine ganz neue Form der Aktion gefunden. Der Marburger Kurier erhielt anonym folgenden Aktionsbericht: In der Nacht am 19. Juli haben wir zwei der Geschäftsführer des Pharmamultis Norich in Marburg entführt. Es handelt sich um Andreas Sauerbach und Karsten Anton. Norich ist Kunde bei Europas größtem Auftragslabor für Tierversuche, und die Geschäftsführer dieser Firma sind Tiermörder. Beendet alle Tierversuche! Die Zeitung hat sich sofort an uns gewandt. Gestern Mittag erhielten wir den Anruf.
Unsere Aufgabe ist es nun, aus der unendlichen Anzahl möglicher Täter, im Prinzip kann es jeder Tierliebhaber sein, die zu finden, die hinter der Entführung stecken. Oder ist der Bekennerbrief vielleicht nur eine geschickte Finte? Stecken vielleicht gar keine Tierschützer dahinter, sondern jemand ganz anderes?«
»Gibt es begründete Zweifel an der Tierschützertheorie?« fragte Maike sachlich. Sie hatte sich fest vorgenommen, von Anfang an Initiative zu ergreifen. Es sollte nicht den Eindruck entstehen, sie würde sich durch die Anwesenheit der erfahreneren Kollegen einschüchtern lassen.
»Nein. Aber wie immer verfolgen wir jede auch
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