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Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Titel: Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlitt Wendt
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eigenen Gene in die nächste Generation zu retten. Die soziale Stellung sichert dabei dem Pferd Vorteile und der Gruppe das Überleben.
    Stellt sich nur die Frage, ob wir Menschen mit den Pferden überhaupt in Konkurrenz stehen können? Wir leben nicht innerhalb der Gemeinschaft, sondern kommen eher als Besucher dazu und beschäftigen uns meist mit einem einzelnen Pferd und nicht mit der ganzen Gruppe. Wir haben nicht die gleiche Körpersprache und Ausdrucksweise. Wir bevorzugen nicht dieselbe Nahrungsgrundlage und wir konkurrieren auch nicht um dieselben Fortpflanzungspartner. Jeder von uns, der schon einmal verglichen hat, wie Pferde ein fremdes Pferd begrüßen und einen fremden Menschen, wird einsehen, dass Pferde wissen, dass wir keine Pferde, sondern andere Wesen sind. Sie sehen uns offensichtlich nicht als Teil ihrer Gesellschaft an, daher gelten für uns andere Regeln als für Herdenmitglieder. Per Definition handelt es sich aber bei einer Rangordnung um die Struktur einer Gruppe, deren Mitglieder untereinander in Konkurrenz stehen. Dies trifft auf das Gefüge Mensch-Pferd nicht zu. Der Begriff der Rangordnung, der Dominanz oder der Herde zwischen Mensch und Pferd ist also ein falsch angewendeter biologischer Begriff. Natürlich können Pferde eine Beziehung zu ihrem Menschen aufbauen, wir werden aber nie in deren Herdengefüge eingeordnet, sondern eine hoffentlich freundschaftliche Sonderrolle behalten.
    Die Natur gibt jeder Art eine ökologische Nische, die definiert, welche Nahrungsquellen, Klimazonen, landschaftlichen Umgebungen und Umweltbedingungen sie bevorzugen. Sie gibt sozusagen die Berufung im Kreislauf des Lebens an. Das Pferd hat als großer Pflanzenfresser eine wichtige Position zwischen seinen Futterpflanzen, seinen Raubfeinden und auch seinen Parasiten, so wie der Mensch eine andere Position im Kreislauf des Lebens ausfüllt. Beide Kreise haben gewissermaßen dort ihre Schnittmenge, wo der Mensch auf das Haustier Pferd trifft. Im Zusammenleben untereinander hat jedes Pferd auch unter den anderen Pferden eine besondere Aufgabe, also eine soziale Nische, die es besetzt. In der gemeinsamen Schnittmenge, die sich aus der Beziehung zwischen Mensch und Pferd ergibt, können wir versuchen, eine freundschaftliche soziale Nische zu schaffen - in einer von der Natur so nicht vorgesehenen Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen Wesen und abseits von unseren arteigenen Konventionen.
     

    Der Mensch kann niemals zum vollwertigen Herdenmitglied des Pferdes werden, denn Pferde sind sehr wohl in der Lage, Pferd und Mensch zu unterscheiden. Trotzdem können wir Menschen auch als Nichtpferde unsere Freundschaft anbieten.

Mythos Dominanz
    Mythos Dominanz
    Dominanztraining im Licht der Verhaltensbiologie
    N
    achdem die Verhaltensforscher Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten einfachen Rangordnungen bei unterschiedlichen Tierarten gefunden hatten und daraufhin auch beim Pferd nach diesen simplen Mustern gesucht wurde, nahm das Schicksal der Dominanztheorie im Pferdetraining seinen Lauf. Ungeachtet neuerer Erkenntnisse wurden populäre Trainingsmethoden auf dem Prinzip der sozialen Struktur der Pferdeherde aufgebaut. Unterschiedliche Strömungen orientierten sich mal am „Leithengstmodell“, mal am „Leitstutenprinzip“ oder auch verstärkt am System der „dominanzgeprägten Körpersprache“. Alle Strömungen gehen davon aus, dass der Mensch eine Rangposition innerhalb der Pferdegruppe einnehmen kann und sich durch „dominantes“ Auftreten Respekt verschaffen soll. Der dominante Mensch soll alle Entscheidungen für das Pferd treffen, welches ihm dann widerspruchslos gehorcht. Die Wege dorthin unterscheiden sich zum Teil, weisen allerdings auffällige Gemeinsamkeiten auf: So basieren sie grundsätzlich auf dem Konzept von Druckaufbau und Nachlassen des Drucks (pressure and release), wobei die Pferde sich nur zwischen den unangenehmen Optionen entscheiden können, ob sie sich dem Druck fügen oder ihm ausweichen.
    Der Mensch – ein würdiges Alphatier?
    Die sensiblen Pferde merken schnell, welche Fähigkeiten ihr Gegenüber besitzt und welche offensichtlichen Defizite der Mensch aufweist. Das Sehen von potenziellen Gefahren gehört beispielsweise nicht unbedingt zu den Talenten des Menschen, der ein äußerst eingeschränktes Blickfeld besitzt. Dies wäre aber eine überaus wichtige Fähigkeit für eine „Führungskraft“ in einer Pferdegesellschaft. Selbst wenn Rangordnungen zwischen zwei

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