Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz
wird vermutlich erschreckt reagieren, wenn es das erste Mal jemanden sieht, der einen Regenschirm öffnet. Wird dieser Vorgang jedoch oft genug wiederholt und für das Pferd entstehen daraus weder positive noch negative Konsequenzen, so wird seine Reaktion auf den Schirm schwächer sein beziehungsweise ganz ausfallen. Auf andere Schreckreize wird es weiterhin sehr stark reagieren, da das Fluchtverhalten an sich natürlich besser nicht verlernt werden sollte.
Diese Lernart ist der Kanal, der beim Pferdetraining sehr häufig Verwendung findet. Beispielsweise werden viele Jungpferde auf eine Weide an einer Straße gestellt, damit sie durch die Sicherheit auf der Weide weder positive noch negative Erfahrungen mit Fahrzeugen jeglicher Art machen. Sie gewöhnen sich schleichend an den Verkehrslärm. Das Ergebnis dieses Prozesses ist nicht sehr stabil, wenn das Pferd dem Reiz (hier: dem Verkehrslärm) zu selten ausgesetzt wird.
Ist ein Reiz sehr stark oder schmerzhaft oder löst sogar Angst beim Pferd aus, so kommt es zur nächsten Lernart, der Sensibilisierung.
Beim Gelassenheitstraining werden Pferde schrittweise an ungewöhnliche Außenreize gewöhnt, ohne Ängste in ihnen auszulösen.
Sensibilisierung
Bei dieser Lernart wird das Pferd einem ganz bestimmten Reiz gegenüber empfindlicher. Diesen Lernmechanismus machen sich viele Pferdetrainer, auch die Anhänger der Dominanztheorie, zunutze, um beispielsweise dem Pferd eine schnelle Reaktion auf das Schlenkern eines Seils oder auf die bedrohliche Körpersprache des Menschen anzutrainieren. Dabei empfindet das Pferd eine ungewohnte Bewegung oder die Körpersprache des treibenden Menschen als Bedrohung und reagiert mit einem Angstgefühl auf den Reiz, dem es sich zu entziehen versucht. Es lernt durch eine negative Erfahrung und wird gegenüber dem Reiz, also zum Beispiel dem Seil, immer sensibler. Das Wort Sensibilisierung hört sich positiv an, hat aber im Sinne der Verhaltensbiologie keine eindeutig positive, sondern eine wertfreie Bedeutung. Nur weil gesagt wird, dass das Pferd sensibler auf einen Reiz reagiert, sagt das nichts darüber aus, ob es dies gern tut oder nicht.
Prägung und Sozialisierung
Unter Prägung werden Lernprozesse zusammengefasst, die auf eine zeitlich begrenzte, sensible Phase in der Pferdekindheit beschränkt sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Prägung auf die Mutter. Das Lernergebnis ist sehr stabil. Werden jedoch die Fohlen an diesen frühen Lernerfahrungen gehindert oder dabei gestört, können Verhaltensstörungen entstehen.
Weiterhin gibt es beim Pferd noch die Phase der sogenannten Sozialisierung, in der das Pferd noch sehr unbefangen auf Neues zugeht und lernt, sich in der Welt der Pferde und auch der Menschen zurechtzufinden. Dies müssen sie nicht bewusst lernen, sondern es passiert ganz automatisch. Die Sozialisierungsphase ist ein von der Natur fest vorgesehenes Zeitfenster, das mit etwa dem 43. Lebenstag schon in Bezug auf die Identitätsfindung als Pferd und mit etwa dem 84. Lebenstag als zusätzliches Zeitfenster für das Erlernen einer Bindungsfähigkeit an den Menschen oder an andere Tierarten endet. Ein Fohlen sollte also schon in diesem Alter den Menschen als Partner vertrauensvoll kennengelernt haben.
Nachahmung oder soziale Anregung
Per Definition findet Lernen durch Nachahmung nur dann statt, wenn ein Pferd allein aufgrund der vorherigen Beobachtung eines anderen Individuums ohne eigenes Ausprobieren etwas tut, was es bisher nicht konnte und das auch nicht angeboren ist. Dieses echte Nachahmungslernen ist sehr selten und häufig eher auf einen Zufall zurückzuführen.
Als eine Form des Nachahmens gibt es beim Pferd den weitverbreiteten Mechanismus des sozialen Lernens, die Stimmungsübertragung. So ahmt ein Fohlen die erwachsenen Pferde beim Grasen nach, ohne zu durchschauen, warum die anderen den Kopf so merkwürdig nach unten halten. Erst durch die eigenen Erfahrungen wird es lernen, dass Grasen lebenswichtig ist. Sicher lernen Pferde noch viele andere Dinge durch Beobachtung, die Forschung in diesem Lernbereich erweist sich allerdings als außerordentlich schwierig.
Die optimale Kinderstube für die lebenswichtige Phase der Sozialisation stellt eine stabile Herde dar. Nur so kann ein Fohlen ein gesundes Selbstvertrauen entwickeln.
Klassische Konditionierung
Jeder Pferdebesitzer kann diese Lernart zur Fütterungszeit beobachten. Die Pferde reagieren schon auf das Öffnen der Futterkiste mit
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