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Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Titel: Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlitt Wendt
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eingeleitet wird. Es lernt seine Lektionen nicht, weil es dem Menschen vertraut oder weil es Spaß an der Sache hat, sondern nur, um unangenehme Reize zu vermeiden. Häufig wird dem ahnungslosen Pferdehalter durch blumige Begriffe die angebliche Harmlosigkeit und Gewaltfreiheit der Methode suggeriert.
     

    Wahres Horsemanship im besten Sinne des Wortes bedeutet ein gewaltfreies Miteinander ohne Druck.
Was bedeutet „erlernte Hilflosigkeit"?
    Erfährt ein Pferd in seinem Leben sehr oft, dass es begrenzt, eingeschränkt oder bestraft wird, so ergibt sich neben möglichen Ängsten und Aggressionen ein als „erlernte Hilflosigkeit“ bezeichneter Zustand. Das Pferd agiert immer passiver und wird auch bei massiver negativer Einwirkung nicht mehr versuchen, sich zu wehren, sondern sich seinem Schicksal ergeben. Es hat sich dann in ein Gefühl der allgemeinen Machtlosigkeit und Ohnmacht zurückgezogen.
    Das Pferd hat die Erfahrung gemacht, dass es in seinen Bedürfnissen und Gefühlen nicht wahrgenommen wird und dass es sich weder wehren noch entkommen kann. Diesen Zustand erkennt man meist am fehlenden Ohrenspiel, an einem in sich gekehrten Blick und dem insgesamt kraftlosen Ausdruck des Pferdes. Solche Pferde werden häufig von ihren Trainern als besonders brav oder gut erzogen dargestellt und von den meisten Besitzern leider als normal empfunden. Das Pferd hat gelernt, dass es sich nicht lohnt, irgendetwas auszuprobieren, und verhält sich fortan möglichst passiv und unauffällig. In Wirklichkeit werden diese armen Geschöpfe unterdrückt und leben unter ständigem Stress und in ständiger Angst. Es handelt sich um erbarmungswürdige Kreaturen, die sozusagen ihre Gefühlswelt abgekapselt haben, um ihr Leben überhaupt noch ertragen zu können. Es kommt hier zu einer Art Abspaltung von Gefühlen und dem Erleben des Moments. Dieser Zustand ist eine seelische Qual für das betroffene Pferd.
    Genau dieser Zustand scheint aber bei vielen Trainingssystemen, die von der Dominanztheorie ausgehen, das erwünschte Ziel zu sein, auch wenn die Trainer dies selbst so sicher nicht kommunizieren würden. Nur ein willenloses, funktionierendes, braves Pferd ist scheinbar ein gutes. Dabei wird völlig vergessen, dass Pferde durchaus eine Seele haben, die auf diesem Wege leicht verkümmern kann. Auch beim kontrovers diskutierten Rollkursystem wird systematisch auf eine erlernte Hilflosigkeit des Pferdes hin trainiert. Das Pferd soll dabei lernen, dass es keinen Sinn macht, sich dem Reiter entziehen zu wollen, da dieser in jener Haltung übermächtig ist. Zudem wird das Blickfeld des Pferdes stark eingeschränkt und es ist noch mehr auf die Führung des Reiters angewiesen.
    Niemals sollte erlernte Hilflosigkeit und die damit einhergehende Passivität eines Pferdes als wünschenswert oder angenehm hingenommen werden. Im Gegenteil sollten mehr Menschen genauer hinschauen und Trainer, deren Pferde den Eindruck erlernter Hilflosigkeit machen, nicht mehr besuchen und für Trainingsstunden buchen. Auch sollte der Turniersport ein verstärktes Augenmerk auf das stumme Leid dieser Tiere legen. Nur gemeinsam können wir im Sinne der Pferde diese Form der psychischen Gewalt beenden.
     

    Die traurigen Augen, das fehlende Ohrenspiel und der resignierte Gesamteindruck sind deutliche Anzeichen für eine erlernte Hilflosigkeit.
Gewaltfrei - oder etwa doch nicht?
    Der Begriff „gewaltfrei“ wird im Bereich des Pferdetrainings stark strapaziert und vor allem im Bereich des Dominanztrainings scheint es ein allgemein anerkanntes Attribut zu sein. Dabei liegt die Definition, ob eine Methode gewaltfrei ist oder nicht, immer im individuellen Ermessen des Betrachters. Für den einen ist schon der Verzicht auf körperliche Gewalt ausreichend, der andere möchte da noch einen Schritt weitergehen. Bei vielen traditionellen Reitlehren und auch den modernen amerikanischen und holländischen Trainingsmethoden ist die psychische Gewalt, die auf die Pferde ausgeübt wird, nicht zu unterschätzen. Nicht immer ist für das Pferd gewaltfrei, was der Trainer als gewaltfrei empfindet.
    Die Frage, wie das Pferd während einer Trainingseinheit empfindet, kann nur vom Pferd selbst beantwortet werden. Wir sollten immer darauf achten, ob die Pferde wirklich Spaß an der Arbeit haben, also freundliche Gesichter („Spielgesichter") und eifrige Bewegungen zeigen, ob sie wache Augen und ein reges Ohrenspiel haben, um zu entscheiden, ob eine Methode gewaltfrei ist oder eben

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