Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz
Sämtliche Übungen, welche die Anhänger der Dominanztheorie zum Aufbau einer Rangordnung propagieren, funktionieren über den genannten Mechanismus. Der Lernprozess ist in der Regel ein Konditionierungseffekt, der durch ausschließlich negative Einwirkungen forciert wird. Das Pferd lernt, wie es Druck ausweichen darf, nicht jedoch etwas über die Dominanz des Trainers. Anzeichen für echte Dominanzbeziehungen sind nicht vorhanden, sondern nur das Aggressionspotenzial des Menschen gegenüber dem Pferd tritt zutage. Die Pferde lernen nur nach dem Konzept „pressure and release“, dem Blick des Trainers oder seinem geschwenkten Seil unter allen Umständen auszuweichen.
Belohnungslernen
Pferde können auch ohne Druck und die blumigen Worte der Dominanzanhänger zu verlässlichen Partnern erzogen werden, wenn man weiß, wie man eine positive Motivation beim Pferd erzeugt. Dabei wird der Fokus auf Verhaltensweisen gelegt, die das Pferd zufälligerweise von sich aus „richtig“ im Sinne des Menschen macht. Diese Ereignisse werden durch Lob, Aufmerksamkeit, Streicheln oder Leckerlis sofort belohnt. Da ein Pferd immer das Verhalten häufiger zeigt, welches sich gelohnt hat, wird es so nach und nach zu einem fröhlichen, gehorsamen Partner erzogen werden können.
Durch die Belohnungen wird die Motivation erhöht, etwas für den Menschen zu tun. Das Pferd wird die Nähe des Menschen suchen und sich sogar für Übungen anbieten. Wir können unserem Pferd über das Lob und die Belohnung eindeutig zeigen: „Ja, das ist richtig.“ Es werden vollständige Informationen übermittelt, da das Pferd nicht mehr verschiedene Varianten ausprobieren muss, sondern von vornherein lernt, welche Verhaltensweise die gewünschte ist, für die es sich zu arbeiten lohnt. Diese Methode nennt man positive Verstärkung. Sie findet Verwendung in unterschiedlichen modernen Trainingsmethoden wie dem sehr effektiven Clickertraining, das auf der Grundlage der Lerntheorien entwickelt wurde.
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft!
Der Wechsel vom Dominanztraining zum Belohnungslernen
Es ist nie zu spät, für sich und sein Pferd nach einem neuen Weg des gemeinsamen Miteinanders zu suchen. Pferde sind bis ins hohe Alter sehr lernfähig und durchaus in der Lage, neue Assoziationen zu bilden. Dabei bringt der Wechsel der Methoden den Pferden ja einen entscheidenden Vorteil: Während das klassische Dominanztraining eher demotivierend und sehr einengend ist, kann das Pferd beim Belohnungslernen seine ganze Kreativität und Lernfreude ausleben und dabei stressfrei mit dem Menschen gemeinsam lernen.
Meist haben eher die Menschen Schwierigkeiten damit, einen Wechsel wirklich zu vollziehen, da sie sich bisher oft ausschließlich in den Traditionen der dominanzgeprägten Reitlehren bewegten. Natürlich erfordert es viel Mut, sich auf eine vollkommen neue Trainingsmethode einzulassen, denn gerade wir Menschen müssen umlernen und alte Gewohnheiten ablegen. Aber dieser Schritt vom Dominanztraining zum Belohnungslernen führt das Mensch-Pferd-Team in eine neue Dimension der Freundschaftsbeziehung. Sobald wir Menschen damit beginnen, unsere Pferde positiv zu motivieren, werden wir belohnt durch ihre Begeisterung und das Leuchten in ihren Augen.
Risiken und Nebenwirkungen
Nach diesen allgemeinen Überlegungen zu generellen Trainingsmethoden möchte ich anhand einiger Beispiele aus dem Bereich der Dominanztheorie auf unterschiedliche Risiken aufmerksam machen, die diese Vorgehensweisen mit sich bringen. Ich beziehe mich dabei auf bekannte Methoden, wohl wissend, dass es sicher den einen oder anderen Trainer gibt, der diese Ansätze anders ausführt. Ich möchte hier hauptsächlich auf die verhaltensbiologischen Aspekte eingehen und hinterfragen, ob das, was offensichtlich unter dem Deckmantel diverser beschönigender Begrifflichkeiten passiert, auch das ist, was die Vertreter der Druckmethoden tatsächlich in der Praxis umsetzen, oder ob es sich aus Sicht der Verhaltensforscher dabei um eine „Mogelpackung“ handelt. Weiterhin möchte ich auf die Risiken zu sprechen kommen, die von den Vertretern der Methoden gerne verschwiegen werden, und auf die Auswirkungen auf die Psyche und Lebensfreude der Pferde.
Prägungstraining
Als bahnbrechende Methode der frühkindlichen Pferdeerziehung betitelt, schwappt seit einigen Jahren das sogenannte Prägungstraining aus Amerika nach Europa. Das neugeborene Fohlen soll nach dieser Auffassung direkt nach der
Weitere Kostenlose Bücher