Vertraute Gefahr
aufmerksam fahren und den Tieren die Vorfahrt lassen.«
Neben der Straße war ein kleiner Parkplatz, auf dem schon mehrere Autos und Wohnmobile standen. Bevor Shane geparkt und den Motor abgeschaltet hatte, war Autumn bereits aus dem Wagen gesprungen. Mit schnellen Schritten ging sie auf die Wiese zu. Shane schüttelte den Kopf. Wenn sie nur ein Mal so auf ihn zulaufen würde … Langsamer schulterte er seine Fotoausrüstung und folgte ihr. Wenige Meter hinter ihr baute er sein Stativ auf und befestigte seine Kamera daran. Ihm schwebte ein ganz besonderes Bild vor: Autumn vor einem Hintergrund aus Wiese und Bisons. Während er das Foto vorbereitete, stand Autumn bewegungslos vor der malerischen Kulisse von mächtigen Tieren, die gemütlich kauend am Flussufer entlangliefen oder im Gras lagen. Ihr rotes Haar flatterte im Wind. Von Weitem sah es aus, als würden Flammen ihren Kopf umzüngeln. Genau diesen Augenblick bannte Shane auf sein Foto.
Als sie sich kurz darauf lächelnd zu ihm umdrehte, drückte er gleich noch einmal auf den Auslöser. Zufrieden mit seiner Ausbeute, nahm er seine Ausrüstung und ging auf sie zu.
Autumn sah ihn unsicher an. »Ich stand doch hoffentlich nicht im Weg?«
Shane legte ihr einen Arm um die Schultern. »Aber nein, überhaupt nicht. Und wie gefällt dir der Ausblick?«
Strahlend breitete sie die Arme aus. »Es ist wirklich toll. Ich könnte mich fast dazulegen.«
Das brachte Shane zum Lachen. »Lieber nicht. Bist du bereit für weitere spektakuläre Motive?«
Autumn war so schnell beim Auto, dass er selbst mit seinen langen Beinen nicht hinterherkam.
Kurz danach hieß ein Schild am Straßenrand den Besucher im Bundesstaat Wyoming willkommen.
»Fast der gesamte Park liegt in Wyoming. Für Montana ist das ziemlich schade, weil die meisten Touristen in Wyoming übernachten. West Yellowstone ist fast der einzige Ort, der überhaupt touristisch genutzt wird.«
»Da haben deine Eltern mit ihrer Gast-Ranch wirklich das große Los gezogen.«
Shane lächelte. »Ja, sie wird gut angenommen. Aber das wussten meine Eltern schon vorher, der Park ist ja nicht erst seit gestern hier. Und nicht nur ihnen geht es gut, sondern es sind auch sämtliche Hotels und Motels im Ort gut ausgebucht und der Campingplatz in der Nähe der Ranch ebenso.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Als sie auf der Parkstraße weiterfuhren, schlängelte sich daneben der Madison River entlang. Autumn konnte sich kaum sattsehen an den dampfenden Quellen, den Wiesen, auf denen Bisons und Rotwild grasten, und an den schroffen Felsen, die hin und wieder die Straße einrahmten. Genauso faszinierend fand sie die riesigen verbrannten Waldstücke. Zwischen den verkohlten Stämmen wuchsen bereits wieder kleine Nadelbäume in großer Fülle. Vorbei an Geysiren, brodelnden Quellen und am Straßenrand aufsteigenden Dampfschwaden hielten sie am Parkplatz zum Midway Geyser Basin kurz an, entschieden aber mit Blick auf die zahlreichen Autos und Reisebusse weiterzufahren. Am Geysir Old Faithful mussten sie einige Minuten auf einen Parkplatz warten, aber schließlich ließen sie das Gewühl hinter sich und tauchten in den Besucherstrom des großen Visitor Centers ein.
Shane nahm Autumns Hand. »Keine Panik, wir schreiben uns nur schnell die Eruptionszeiten der Geysire auf, dann sind wir schon wieder draußen.«
Autumn nickte und beobachtete, wie Shane die Zeiten von einer Tafel in der Nähe des Informationsstands der Ranger notierte. Neben dem Namen des jeweiligen Geysirs war eine Uhrzeit genannt und dann in Klammern verschiedene plus/minus-Werte.
Verwundert über die unterschiedlichen Angaben fragte Autumn: »Warum sind die Zeiten denn teilweise so ungenau angegeben?«
Shane blickte sie belustigt an. »Wir sind hier in der Natur, Stadtkind. Es ist sowieso nur den fleißigen Helfern zu verdanken, die die Ausbrüche vermerken und vorausberechnen, dass hier überhaupt die Zeiten festgehalten sind.«
»Ja, aber beim Old Faithful steht doch zum Beispiel plus/minus zehn Minuten. Ist er wirklich so genau zu berechnen?«
»Wie der Name schon sagt, ist er extrem zuverlässig. Deshalb sind auch die meisten Touristen nur in diesem Bereich anzutreffen. Geht man ein paar Meter weiter, hat man freie Bahn.« Er blickte auf die Uhr. »Schon elf Uhr. Wir sollten uns auf den Weg machen, bevor alle Wege verstopft sind.«
Trotzdem dauerte es noch einmal zehn Minuten, bis sie das Gebäude verlassen konnten, da Shane ein paar frühere Kollegen
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