Vertraute Gefahr
traf. Einerseits war Autumn froh, dass er sie als Kollegin vorstellte, trotzdem versetzte es ihr jedes Mal einen kleinen Stich. Allerdings war sie selbst schuld, sie hatte es schließlich von ihm verlangt.
Der kurze Weg zum Geysir war tatsächlich voller Menschen, ebenso wie die im Halbkreis um den Geysirhügel angeordneten Bänke. Sie fanden schließlich eine ruhigere Stelle etwas abseits vom Rummel, aber trotzdem noch mit gutem Blick auf den Wasserdampf ausstoßenden Geysir. Shane lehnte sich an den Holzzaun, der ein Rasenstück abtrennte, und zog Autumn an sich. Seine Arme schlangen sich um ihren Oberkörper, sein Kinn ruhte auf ihrem Kopf.
Nachdem er den Geysir einige Zeit beobachtet hatte, beugte er sich zu ihr hinunter. »Wir sind genau richtig gekommen. Jetzt dauert es nicht mehr lange.«
Autumn runzelte die Stirn. »Woher weißt du das? Es ist doch noch nicht zwanzig Minuten nach elf?«
Shane lachte. »Na, so genau hält er sich dann doch nicht an die Uhrzeit. Beobachte ihn einfach eine Weile. Am Anfang stieg nur eine dünne Dampfsäule auf, inzwischen kommt schon viel mehr. Außerdem ändern sich die Geräusche, die er macht.«
Autumn blickte ihn ungläubig an. »Wie kannst du denn neben dem Menschenlärm noch etwas anderes hören?«
»Wenn man weiß, worauf man achten muss, hört man es auch. Versuch die Menschen auszublenden und konzentrier dich auf den Geysir. Hörst du das tiefe Grollen und Stampfen? Je näher er dem Ausbruch kommt, desto lauter wird es.«
Autumn lauschte angestrengt. Und tatsächlich, sie war sich fast sicher, das Geräusch zu hören. Gerade wollte sie es Shane sagen, als sie spürte, wie sein Körper sich anspannte.
Sein Mund streifte ihr Ohr, als er ihr »Jetzt!« zuflüsterte.
In diesem Moment wurde das Geräusch zu einem lauten Tosen. Riesige Wassermassen schossen in die Höhe und fielen dann zur Erde zurück. Eine etwa dreißig Meter hohe Fontäne pumpte Tausende Liter Wasser aus dem unterirdischen Reservoir in die Luft. Nach kurzer Zeit wurde die Fontäne immer kleiner, bis sie schließlich ganz verschwand und nur noch Wasserdampf aufstieg. Autumn war beeindruckt, aber auch ein wenig enttäuscht, dass es nur ein so kurzes Vergnügen gewesen war.
Sie drehte sich zu Shane um. »War das schon alles?«
Shane lachte. »Der Old Faithful ist zuverlässig, dafür aber nicht besonders hoch oder ausdauernd. Um größer zu sein, müsste er längere Ruhephasen durchlaufen und ein größeres unterirdisches Wasserreservoir haben. Wie zum Beispiel der Grand Geyser, der nur alle sieben bis fünfzehn Stunden ausbricht und dabei eine sechzig Meter hohe Fontäne ausstößt. Leider haben wir nicht genug Zeit, auf einen Ausbruch zu warten, aber vielleicht beim nächsten Mal.« Er blickte auf seine Uhr. »Wir sollten uns lieber beeilen. Der Riverside könnte jeden Moment ausbrechen.«
Autumn folgte ihm schnell und ergriff seine Hand, um in dem Menschenstrom nicht von ihm getrennt zu werden. Shane blickte sie überrascht an, lächelte dann aber nur. Seine Hand schloss sich fest um ihre, während er ihnen den Weg bahnte. Bereits nach einigen Metern war der Großteil der Besucher verschwunden. Nur ein paar Unentwegte liefen die Wege zu den anderen Geysiren entlang.
Der Riverside-Geysir war bereits mitten in seiner Eruptionsphase, als sie ihn erreichten. Die Fontäne sprühte in einem hohen Bogen über den Fluss hinweg. Autumn ließ sich auf eine der Bänke sinken und konnte den Blick nicht von dem beeindruckenden Naturschauspiel abwenden.
Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. »Schade, dass wir es nicht früher geschafft haben.«
»Kein Problem, dieser Geysir hat eine Eruptionsphase von zwanzig Minuten, also haben wir nicht allzu viel verpasst.« Shane setzte sich neben sie, legte den Arm um ihre Schultern und ließ sich an die Lehne zurücksinken.
Nur ungern verließen sie zehn Minuten später ihren Logenplatz.
»Wie wäre es, wenn wir noch bis zum Ende dieses Weges gehen und uns dann langsam auf den Rückweg zum Auto machen?«
»In Ordnung, ich würde gerne so viel wie möglich sehen.«
Shane schulterte Rucksack und Fototasche und ergriff wieder ihre Hand. Autumn fühlte sich frei und glücklich, als sie langsam den Weg entlangschlenderten und bei verschiedenen Quellen und Geysiren anhielten, um einen näheren Blick darauf zu werfen. Am Ende des Weges lag eingezäunt der Morning Glory Pool, eine kleine stille Quelle, die in der Mitte leuchtend blau war, während Bakterien die äußeren
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