Vertraute Schatten
schwarz aussahen. Die Hände hatte er vor dem Bauch verschränkt. Sein markantes Gesicht verriet keinerlei Regung, abgesehen von dem leichten Verdruss, den der Mann immer ausstrahlte. In seinem dunkelgrauen Anzug hätte man Drake leicht für einen jungen Manager halten können, vor allem auch, weil er mit einem ewig gleichen Ernst den Eindruck vermittelte, seine Position sei mit allerhand Macht ausgestattet.
Niemand hätte ihm den Meisterdieb und Mörder angesehen, den Chef eines straff geführten Netzwerks, dessen Angehörige alle in der gleichen Branche wie er tätig waren. Er war in der Tat ein mächtiger Vampir. Ein Mann, der zu Recht gefürchtet war.
Auch Damien hätte ihn gefürchtet, wenn er so etwas wie Angst noch empfunden hätte. Aber das war vorbei. Um Angst zu haben, musste man sich um die Zukunft sorgen, und er hatte schon vor langer Zeit gelernt, nur noch für den Augenblick zu leben. Sich langfristig Sorgen zu machen hatte wenig Sinn, vor allem jetzt, da er offensichtlich einen sicheren, einträglichen Job für den Rest seines Lebens hatte, wie lange dieses auch immer dauern mochte. Offenbar hatte es seine Stellung gestärkt, dass er die Erbin einer lange erloschenen Vampirdynastie unterstützt hatte … auch wenn er seine Hilfe nicht völlig aus freiem Willen angeboten hatte. Aber zu seiner Überraschung hatte er die Gesellschaft der Vampire genossen, die er über Lily MacGillivray, die Führerin der wiedergeborenen Lilim, kennengelernt hatte.
Natürlich hatte es seinem Ansehen bei Drake nicht geschadet, dass seine neuen Freunde ausnahmslos mächtige Vampire waren – Vlad Dracul; Ty MacGillivray, Lilys Mann; Jaden, der Verbindungen zu einem Rudel Werwölfe geknüpft und es geschafft hatte, dies zu seinem und zum Vorteil der Lilim insgesamt zu nutzen. Die Werwölfe der Thorn schienen keine schlechten Kerle zu sein, wenn man den Hundegestank ausblenden konnte.
»Was ist jetzt, Damien, übernimmst du den Auftrag oder nicht?«, fragte Drake und lehnte sich ein wenig zurück, als wäre ihm die Antwort vollkommen egal. Die Masche kannte Damien bereits, und sie blieb in der Regel auch nicht ohne Wirkung. Aber sie beide kannten sich schon zu lange. Für einen so heiklen Auftrag brauchte Drake seinen besten Mann. Und trotz der Fehler, die letztlich zur Zusammenarbeit mit den Lilim geführt hatten, stand Damien immer noch im Ruf, der Beste zu sein.
Damien seufzte, stellte das Glas auf einen der vielen Papierstapel, die den teuren Schreibtisch bedeckten, und zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Warum nicht? Zumindest könnte es ja ganz interessant werden.«
Drakes Mundwinkel zuckten. »Und wenn du das Zielobjekt findest, kann es dir ja alle drängenden Fragen über Grigori-Frauen beantworten.« Er griff nach einer schmalen Aktenmappe und reichte sie Damien. Neugierig schlug Damien sie auf und überflog das einzelne Blatt Papier, das sich darin befand. Daran angeheftet war ein Foto vom Format neun mal dreizehn, auf dem aus einem Gedränge heraus drei Menschen in die Kamera lächelten. Dahinter stand, weiß eingekreist für den Fall, dass der Betrachter blind war, ein weißhaariger Riese, der sich seinen Weg durch die Menge bahnte. Der Grigori war auf dem Bild nur im Profil zu sehen, aber Damiens Ansicht nach würde es reichen, ihn zu erkennen. Schließlich liefen einem derartig merkwürdige Vertreter der Vampirwelt nicht permanent über den Weg.
Damien schaute auf und blickte in Drakes unergründliche Augen. »Viel ist es nicht. Die Führung will, dass dieser Sammael gefunden wird, es soll jedoch nicht bekannt werden, dass sie nach ihm suchen. Ich soll, nach Möglichkeit, die Finger von ihm lassen. Sobald sein Aufenthaltsort ermittelt wurde, soll ich sie benachrichtigen, außerdem schlagen sie …«, er machte eine Pause, um die Anweisungen noch einmal zu überprüfen, »… ein paar sehr interessante Methoden vor, wie man ihn, falls nötig, bändigen soll. Um die dafür benötigten Gegenstände aufzutreiben, werde ich einige Läden abklappern müssen, aber abgesehen davon schaut das Ganze nach völlig normaler Arbeit aus.«
»Trotz der seltsamen Auftraggeber, meinst du wohl«, erwiderte Drake. »Aber die Informationen, die wir dadurch erhalten, sind Gold wert. Schau, wir wissen bereits, wie aufwendig es ist, einen dieser Riesen auszuschalten. Aber ich habe so ein Gefühl, dass deutlich mehr hinter dieser Sache steckt. Das sieht nur oberflächlich so aus, als sei bereits alles so gut wie in
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