Verwechslungsspiel in Griechenland
Wahrscheinlich war ich nach dem langen Flug einfach durcheinander, dachte sie bedrückt.
Ria war eben aus Amerika zurückgekehrt, wo sie die Arbeit an einem wichtigen Fotoauftrag koordiniert hatte. Sechs Wochen lang hatte sie hitzige Gemüter beschwichtigt, Termine festgelegt, Arbeitsmaterialien organisiert und dafür gesorgt, dass jeder zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Es war eine anstrengende, aber auch aufregende Zeit gewesen. Ria liebte ihre Arbeit als Assistentin des Chefs einer kleinen, aber exklusiven Fotomodellagentur. Sie war gestern spätabends auf dem Flughafen London-Heathrow gelandet und weit nach Mitternacht erst ins Bett gekommen.
Unter dichten Wimpern hervor beobachtete sie, wie der Fremde kurz in jedes Zimmer ihrer kleinen Wohnung schaute. “Wir scheinen allein zu sein”, meinte er schließlich ausdruckslos.
Wütend fuhr Ria auf. “Was hatten Sie denn erwartet?”
Er lachte spöttisch. “Darüber sprechen wir besser nicht, meine liebe Poppy. Ich darf Sie sicher Poppy nennen? Mit Ihnen kann man sich doch alles erlauben.” Als sie widersprechen wollte, hob er gebieterisch eine Hand, und sein Gesichtsausdruck wurde hart und eisig. “Lassen Sie uns eins klarstellen. Ich bin nicht ‘hereingeplatzt’, wie Sie es ausdrücken, ich habe Sie nicht angegriffen, und wenn Sie die Wahrheit beleidigend finden, dann sollten Sie einmal gründlich über Ihr hässliches, selbstsüchtiges Leben nachdenken.”
Endlich begann Ria zu begreifen. Dieser Verrückte hielt sie für Poppy! Insgeheim stöhnte sie auf. Was hatte ihre schöne, aber flatterhafte und gedankenlose Cousine jetzt wieder angestellt? Sie hatte gleich geahnt, dass es wohl ein Fehler sein würde, während ihrer Abwesenheit Poppy die Wohnung zu überlassen. Aber diese konnte sehr hartnäckig sein, und Ria hatte ihr noch nie etwas abschlagen können.
Es gäbe da einen ganz außergewöhnlichen Mann, hatte Poppy Ria erzählt und sie aus samtweichen braunen Augen bittend angeschaut. Sie wolle nur ein wenig mit ihm allein sein, das wäre himmlisch. Poppy wohnte mit fünf anderen jungen Frauen zusammen in einem kleinen Haus – nicht eben der beste Nährboden für eine Romanze, wie Ria zugeben musste. Nach jedem Besuch dort fühlte sie sich wie nach einem Bombenangriff.
“Offensichtlich beginnen Sie zu begreifen.” Überrascht sah Ria auf. “Ihr Gesicht ist erstaunlich ausdrucksvoll, meine Liebe. Ich habe Sie mir anders vorgestellt.” Als sie den Fremden wütend anfunkelte, lachte er wieder. “Diesmal werden Sie für Ihre Fehler bezahlen. Das ist sicher eine ganz neue Erfahrung für Sie. Sie sollten dankbar sein.”
“Bitte hören Sie mich an. Ich muss Ihnen erklären …”
“Ihre Ausflüchte interessieren mich nicht”, unterbrach er sie ungeduldig und sah sie abfällig an. “Seien Sie still, und hören Sie mir genau zu. Ich werde es Ihnen nicht zwei Mal erklären.” Offensichtlich war er gewohnt, dass man ihm gehorchte, und Ria war zu erschöpft, um sich länger zu wehren. Verwirrt zog sie die zierlichen Füße unter sich und kuschelte sich schutzsuchend tiefer in die Polster.
“Mein Name ist Dimitrios Koutsoupis”, fuhr der Fremde ein wenig sanfter fort, den Blick auf Rias blasses Gesicht gerichtet. “Ich bin Nikos’ Onkel.” Als sie nicht reagierte, wurden seine Gesichtszüge härter. “Sie erinnern sich hoffentlich an Nikos?”, fragte er sarkastisch.
Ria sah ihn nur stumm an. Unwillig schüttelte er den Kopf. “Nachdem Sie ihm gesagt hatten, zwischen Ihnen sei alles vorbei, ist er nach Griechenland zurückgereist. Seitdem arbeitet er nicht, isst nicht, schläft nicht. Können Sie sich überhaupt vorstellen, was Sie ihm angetan haben? Mussten Sie sich auf so brutale Art von ihm trennen, nachdem Sie ihn wochenlang an der Nase herumgeführt hatten? Hat es wenigstens Spaß gemacht? Was ist?”, fuhr er sie plötzlich an. Ihre scheinbare Gleichgültigkeit schien ihn immer mehr zu reizen.
Ria wusste nicht, was sie antworten sollte. Schließlich zuckte sie die Schultern. Es wirkte lässiger, als sie beabsichtigt hatte.
“Einfach unbezahlbar!”, stieß Dimitrios zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, drehte sich heftig um und trat ans Fenster, als könnte er Rias Anblick nicht länger ertragen. Mit dem Rücken zu Ria blieb er breitbeinig stehen, verschränkte die Arme und sah auf die inzwischen belebte Straße hinab. Seine angespannte Haltung verriet, wie wütend er war.
Ria saß bewegungslos da und versuchte
Weitere Kostenlose Bücher