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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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bestanden zu einem großen Teil aus ausgehobenen Bauern – in erster Linie besitzlosen Bauernsöhnen und Knechten. Es waren jedoch fast nur die schwedischen Heere, die einen großen Anteil an Soldaten aus der Bauernklasse hatten. Dies hing natürlich damit zusammen, dass es in Schweden ein Aushebungssystem gab, das die Menschen in den Krieg zwang. Auch andere Staaten wendeten Zwang an, um Kanonenfutter für ihre Heere und Flotten zu bekommen. Die Spanier öffneten regelmäßig ihre Gefängnisse und schoben die Häftlinge zur Kriegsmacht hinüber. Viele Schotten, die für Schweden kämpften, waren berüchtigte Verbrecher und Radaubrüder, die mit der Billigung der lokalen Behörden in den Krieg verschifft wurden, und in England wurden Kriminelle zuweilen begnadigt, wenn sie sich anwerben ließen. Es kam auch vor, dass man andere zwangswerben ließ, die den Behörden aus unterschiedlichen Gründen unerwünscht waren: In den Truppen, die in den zwanziger Jahren für den dänischen König kämpften, befanden sich unter anderem Zigeuner sowie Bettler und Vagabunden aus England.
    Die meisten Krieger waren indessen Freiwillige, für Geld geworben, und ihr Hauptanteil scheint aus den Städten gekommen zu sein, häufig aus denen, die unmittelbar im Kriegsgebiet lagen. (Von den ausgedienten Landsknechten, die sich im 17 . Jahrhundert im bekannten Hôtel des Invalides in Paris sammelten, kamen 52 Prozent aus den Städten, was viel ist, wenn man bedenkt, dass 85 Prozent der französischen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt auf dem Lande lebten.) Viele kamen aus den unteren, proletarisierten Schichten der Städte.
    Die Gründe, warum sie sich werben ließen, waren vielfältig. Manche taten es aus reiner Abenteuerlust, weil sie die Welt sehen oder das Kriegerleben kennenlernen wollten. Manche suchten die Anonymität des Soldatendaseins, weil sie einem strafenden Vater oder einer havarierten Ehe oder einer drohenden Anklage entkommen wollten. Einige wenige taten es, weil sie für «die Sache» kämpfen wollten, für «den wahren Glauben» oder ihren «wahren König» oder etwas anderes. Besonders in der letzten Phase des Krieges, als Exzesse, Gesetzlosigkeit und Verheerungen an der Tagesordnung waren, scheinen viele Menschen in schwer betroffenen Provinzen sich einer Armee aus dem paradoxen Grund angeschlossen zu haben, dass es sicherer zu sein schien, Soldat zu sein als Zivilist. Die meisten taten es allem Anschein nach aus wirtschaftlichen Gründen oder aus reiner Verzweiflung. Je schlechter die Zeiten waren, desto leichter war es in der Regel, Soldaten für die Heere anzuwerben. Und das 17 . Jahrhundert war zweifellos eine Periode wirtschaftlicher Krisen und wachsender Armut in Europa. In Scharen drängten die Menschen vom Land in die Städte, weil ihr Grund und Boden von einem lokalen Adligen übernommen oder ihre Ernte durch Wetter oder Menschen vernichtet worden war – doch nur, um festzustellen, dass dort zu leben ebenso schwer war. Denn in den Städten befanden sich all jene, die von der wirtschaftlichen Krise und durch die aufblühende kapitalistische Entwicklung an den Rand gedrängt worden waren: überzählige Gesellen, die nie Meister werden konnten, ruinierte Handwerker, deren Handwerk jetzt unter fabrikmäßigen Bedingungen betrieben wurde, Arbeitslose, die ihre Stelle verloren hatten, Leute, die bis über die Ohren verschuldet oder durch die drückenden Steuern in den Bankrott getrieben worden waren. Vor allem diese kamen gelaufen, wenn die Werber die Trommeln rührten, oder sie suchten die Tische der Werber in einer dunklen Ecke des Wirtshauses auf. (Religiöse oder idealistische Motive scheinen in dieser letzten Phase des Kriegs überhaupt eine immer geringere Rolle gespielt zu haben, ja, der größte Teil der geworbenen Soldaten – und hier vor allem das Fußvolk – hat wohl aus freien Stücken oder gezwungenermaßen mindestens einmal im Lauf der Jahre die Seiten gewechselt.)
    Das Verfahren, mittels dessen die neu Geworbenen in den Krieg geführt wurden, war auf beiden Seiten gleich. Wenn die Herrschenden der Meinung waren, ein neues Regiment zu brauchen, wurde ein «Patent» ausgefertigt für jemanden, der willens war, den betreffenden Verband aufzustellen. Dieser Jemand war ein Offizier oder ein vermögender und interessierter Zivilist, der in der Regel das Regiment auf rein kommerzieller Basis aufstellte. Kämpfende Einheiten für den Krieg bereitzustellen, war eine internationale Großindustrie, und wenn man

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