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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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schwierig, mit der grün gesalzenen Butter und den getrockneten Heringen der Bauern Soldaten zu werben und Pferde zu kaufen. Seit Gustav Adolfs Thronbesteigung 1611 waren auch mehrere neue Städte gegründet worden. (Insgesamt waren es etwa dreißig im eigentlichen Schweden und in Finnland.) Der feste Glaube daran, dass man mit Hilfe von Verordnungen und königlichen Briefen eine bestimmte wirtschaftliche Entwicklung herbeikommandieren könne, stand während des 17 . Jahrhunderts in allen Ländern hoch im Kurs, zeitigte aber in der Regel nur bescheidene Resultate. So waren auch die meisten dieser neuen Städte eine große Enttäuschung. Bei Eriks späteren Bildern ist es nicht ungewöhnlich, auf Stadtansichten zu stoßen, wo die niedrige und umzäunte Kleinstadtbebauung aus Holz bald in Äcker, Weideland und Gemüsegärten übergeht. (Die einzigen größeren Gebäude waren in der Regel eine Kirche, ein Rathaus sowie die eine oder andere Windmühle mit gemächlich kreisenden Flügeln. Die Mauern und Befestigungen, die mitteleuropäische Städte stets umgaben, waren in Schweden selten zu sehen.) Die meisten waren eher mit Stadtprivilegien versehene ländliche Ansiedlungen, wo munter umherlaufende Schweine noch lange ein natürlicher Bestandteil des Straßenbilds blieben. Diese Orte bewiesen auch nur geringe Bereitschaft, sich in brausende urbane Zentren zu verwandeln. Die einzige neu gegründete Stadt, die Anzeichen einer schnellen Entwicklung zu einem bedeutenden Handelszentrum erkennen ließ, war Göteborg, doch beruhte dies vor allem auf einem starken Zustrom von Deutschen und Holländern. Die Übrigen verblieben in der Regel armselige Flecken, deren Bürger sich an die Regierung wenden mussten, wenn sie «einen Schulmeister entlohnen oder eine Glocke gießen oder eine Schankstube einrichten» wollten. Und wenn diese kleinen Orte überhaupt wuchsen, dann geschah es in der Regel mit so ausgesuchter Langsamkeit, dass den Machthabern vor Verzweiflung graue Haare wuchsen. «Ohne Handel, verrottet und verfallen», hatte der verstorbene Gustav Adolf sie genannt, und im Rat sprach man voller Verachtung von «Bauerndörfern», der amtierende Hofgerichtspräsident, Axel Oxenstiernas Bruder Gabriel – der in diesem Jahr starb –, nannte sie kurz und bündig «Diebshöhlen».
    Teilweise war es der eigene Fehler der Machthabenden. Die Bürden des Kriegs lasteten schwer auch auf den Städten. Ihre Bevölkerung war wie die Bauern durch die Beherbergung von Soldaten, diversen Beamten und Standespersonen überfordert. Der Kleine Zoll, der 1622 eingeführt wurde und bedeutete, dass sämtliche Waren, die vom Land in die Stadt eingeführt wurden, mit Abgaben belegt wurden, wirkte sich auf den geringen Handel, den es immerhin gab, kaum belebend aus und veranlasste die misstrauischen Bauern dazu, die Städte noch entschiedener zu meiden. Hinzu kam der merkwürdige, 1636 eingeführte Stapelzwang. Einige Städte, Stockholm, Göteborg, Viborg und andere, wurden zu Stapelstädten ernannt; nur sie hatten das Recht, mit dem Ausland Handel zu treiben. Die übrigen Städte wurden zu Binnenstädten erklärt; sie durften nicht mit dem Ausland Handel treiben, erhielten ihrerseits jedoch das Monopol für den Handel mit den Menschen rund um die eigene Stadt. Zweck des Ganzen war, dass die Binnenstädte die Rolle von Zulieferern für die Stapelstädte übernehmen sollten, die dadurch die Möglichkeit erhielten, noch schneller zu wachsen, während gleichzeitig der profitable Außenhandel leichter kontrolliert und besteuert werden konnte. Aber was im Fall Lübecks oder Danzigs die Folge einer natürlich gewachsenen Ordnung war, versuchte man nun, mit künstlichen Mitteln und Zwang nachzuahmen. Die Bürger der Stapelstädte waren natürlich zufrieden und erfreut, während ihre Brüder in den Binnenstädten vor Wut schäumten, denn sie und ihre Orte waren dazu verurteilt, im Schatten der Großen zu verkümmern.
    Die Bürger selbst trugen allerdings auch einen großen Teil der Verantwortung für das unentwickelte Stadtwesen. Wenn wir an Bürger denken, stellen wir uns gern das Bild eines wohlhabenden Herrn mit schwarzem Hut und Embonpoint vor, der sich der Schiffsreederei widmet, oder einen finanzstarken Kapitalisten, der große Manufakturen besitzt und mit allem handelt, was Profit bringt, von Gewürznelken bis zu Kanonen. So sah der Bürger in Amsterdam und London aus, aber so sah er zu dieser Zeit in Schweden selten aus. Der durchschnittliche

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