Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
gewinnträchtigste Methode, diese großen Serien von strikt standardisierten Waren herzustellen, bestand darin, so viele der beteiligten Handwerker wie möglich an einem einzigen Platz, ja am besten unter einem Dach zu versammeln, um dort die Produktion in großem Maßstab und unter der direkten Aufsicht eines in dem Gewerbe versierten Unternehmers zu betreiben. (Draußen im Feld waren beide Typen von Fabrikaten vertreten: Die höheren Offiziere trugen häufig schön ziselierte Rüstungen, meisterlich verzierte Radschlosspistolen und kunstvolle Degen mit Goldeinlagen und Filigranarbeiten, während die Ausrüstung der Mannschaften in der Regel robust und von grober Ausführung war.) Aus der Rückschau erkennen wir in diesen Manufakturhandwerkern die Vorläufer einer späteren Arbeiterklasse, und in ihren Manufakturen ahnen wir die Fabriken der Zukunft. Aber der Weg dahin war lang und verschlungen. Nicht zuletzt die eigensinnigen Handwerker taten alles, um nicht ihrer Freiheit verlustig zu gehen und – schrecklicher Gedanke – gezwungen zu sein, ihre Arbeit an einem bestimmten Platz, zu bestimmten Zeiten und zu einem bestimmten Preis auszuführen. Beharrlich weigerten sie sich, sich den neuen und für sie unbegreiflichen Forderungen anzupassen, die in diesen Produktionseinheiten großen Stils gestellt wurden. Stattdessen liefen sie davon, pfuschten, schwänzten, drohten, unterschlugen, verzögerten, polterten, schimpften und prügelten sich, alles um ihre Arbeit nach eigenem Gutdünken und nicht nach dem des Faktors ausführen zu können. Die Besitzer oder Pächter dieser Werkstätten und Manufakturen wollten mit aller Macht die Handwerker in Lohnarbeiter verwandeln. Aber wenn die Menschen des 17 . Jahrhunderts Lohnarbeit sahen, reagierten sie mit Schaudern und Verachtung. Handwerker zu sein, war respektabel. Sein Werkzeug gehörte ihm selbst, er teilte seine Zeit selbst ein und bestimmte selbst über seine Arbeit. Ein Lohnarbeiter hatte nichts von alledem. In den Augen vieler war er deshalb nichts Besseres als ein Bettler oder Sklave. Doch mit der Zeit entstanden immer mehr dieser großen Werkstätten und Manufakturen, lange zwar, wie die Städte, kleine Ausnahmen und vereinzelte Enklaven in einem Reich von schwarzen Pflugfurchen und lodengrauen Ackerbauern, aber dennoch etwas Neues, in nicht geringem Maß vom Krieg geschaffen.
Die Entwicklung in diesem Teil der Gesellschaft, also in den Städten, im Handel und bei den Manufakturen, wurde indessen von den Herrschenden selbst auch wieder behindert. Sie dachten nicht daran, die Großhändler, Werkstätten-und Manufakturbesitzer zu mächtig werden zu lassen. Man beneidete ein Land wie die Niederlande aufgrund seines blühenden Handels und seiner unermesslichen Reichtümer, doch die Männer im Rat wollten Schweden keineswegs nach deren Vorbild umgestalten. Schweden sollte auch weiterhin ein Land bleiben, in dem der Adel auf seinen Landgütern saß und herrschte und jeder Stand sein spezielles Tätigkeitsfeld hatte. Für ihr Überleben waren die Herrschenden indessen auf den neuen Mann, den Bürger, angewiesen, von dem man erwartete, dass er brav in diesem feudalen und agrarischen Schweden eingesperrt sitzen blieb und wie eine kleine Maschine Münzen ausspuckte. Im Stillen verachteten die Aristokraten die Männer des Geldes. Handel, Kaufmannschaft und Handwerk verschiedener Art waren etwas Unschönes, denn deren Vertreter arbeiteten im eigenen Interesse, für eigenen, schnöden Gewinn, während Adlige für die Ehre arbeiteten. So behaupteten sie jedenfalls – und Kriegsbeute und dergleichen waren ja nur Rekompensation. Zwar brauchten sie Männer wie Louis De Geer und standen im Begriff, ihn aus reinem Selbsterhaltungstrieb und als Bezahlung für seine Verdienste im Krieg nun zum Adligen zu machen, aber gleichzeitig sahen sie insgeheim auf ihn herab.
Die Verachtung von Handel und Kommerz war in Europa uralt und lässt sich bis ins Mittelalter und die Antike zurückverfolgen. Soweit man zurückdenken konnte, galt der Kaufmann als zwielichtige Figur, ausgestattet mit einer bösartigen Schurkenphysiognomie und einer dumpfen Aura von Verdammnis und Sünde – hatte nicht schon der heilige Augustinus die Habgier als eine der großen Todsünden bezeichnet? Die Liebe zur Ehre wurde fast automatisch der Jagd nach Geld gegenübergestellt; sie hatte einen sozialen Wert und trug, so nahm man an, im Gegensatz zur eigensüchtigen Habgier dazu bei, das Glück der Allgemeinheit zu
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