Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
schwedische Bürger war vielleicht ein Fassbinder, der allein ohne Gesellen arbeitete, oder ein Straßenhändler, der in einer kleinen Bude an der Ecke Bohnen und Salz verkaufte. Er oder sie war ein Teil der alten feudalen Ordnung, wurde oft als träge und wenig unternehmungslustig beschrieben, zufrieden mit dem wenigen und selten oder nie an Dingen wie Profitmaximierung und Preiskonkurrenz interessiert. Häufig befangen in einem engen und beschränkten Zunftdenken, waren sie schnell bereit, nach Verboten, Monopolen und Privilegien zu rufen, wenn sie ihren Platz im Markt behaupten wollten. (Auf nahezu jedem Reichstag kam es vor, dass Bürger eines bestimmten Ortes aufstanden und forderten, dass die Nachbarstadt ganz einfach verwüstet werden solle.) Auch ihre Kenntnisse waren mangelhaft. In einem Teil dieser kleinen Städte konnten der Bürgermeister und die Ratsherren weder lesen noch schreiben, und häufig verrieten sie geradezu peinliche Unwissenheit speziell in Fragen des kaufmännischen Bereichs.
Aber nicht alles war Abgestumpftheit, Fäulnis und Verfall. Draußen in Europa drehten sich die großen Räder des ökonomischen Weltsystems, ruckhaft zwar aufgrund aller Störungen durch Krieg, Hungersnot und trügerische Konjunkturen, aber dennoch mit einer solchen Kraft, dass es tatsächlich in den Städten, die mit dem Ausland Handel trieben, spürbar wurde. Aus der Masse der gleichgültigen und häufig mittellosen Handwerker, Höker und Krämer hatte sich zu diesem Zeitpunkt eine kleine Schar von Großhändlern und Schiffsreedern herauszulösen begonnen, die bei ihrem Handel mit fremden Orten kräftige Gewinne machten und ihr Geld dazu benutzten, mehr Geld zu machen – und das war etwas Neues. Besonders wer es verstand, sich auf die riesige Nachfrage der Kriegsmacht nach allem, von Faschinenmessern und gesalzenem Hering bis zu 24 -pfündigen Kanonen und Petarden, einzustellen, konnte beachtliche Profite machen. Genau wie bei den Bauern trug der Druck des Krieges auf Umwegen dazu bei, die Aufsplitterung dieser ansonsten recht einheitlichen Gruppen zu beschleunigen und das Entstehen neuer Oberschichten voranzutreiben.
Viele dieser neuen Männer waren Ausländer. Lange Zeit waren es gerade Fremde, die wichtige Teile der Ökonomie des Reiches entwickelten und die Kontakte, die Kenntnisse und das Kapital besaßen, die für die Gründung neuer Unternehmen erforderlich waren, die aber den einheimischen Bürgern oft fehlten. Einwanderer, besonders aus den Niederlanden, verlegten sich mit Vorliebe auf die wichtige Eisenverarbeitung, gründeten Fabriken, entwickelten die Bearbeitungsmethoden und konnten dank ihrer weit verzweigten Kontakte die Produkte auf dem gesamten Kontinent absetzen. Der schwerreiche Holländer Louis De Geer – der wahrscheinlich nie Schwedisch lernte und lange Jahre seines Lebens in dem reichen Amsterdam verbrachte – ließ wallonische Schmiede aus Lüttich nach Schweden holen, die unter anderem das Schmiedehandwerk revolutionierten. Während dieser Periode kam ein steter Strom von Ausländern ins Land. Einige entwickelten die Eisen-und Waffenmanufaktur, andere führten neue Methoden der Kupfer-und Messingverarbeitung ein; ausländische Interessenten spielten auch eine große Rolle im Teerhandel, und oft waren sie es, die die schwersten Lasten zogen, wenn es darum ging, dem Staat Kredite und Anleihen zu beschaffen.
Die Entwicklung ging langsam und nicht ohne Rückschläge und Misserfolge voran, aber der Trend war klar. Aus dem agrarischen Meer des Reiches begann sich die eine und andere kleine kapitalistische Insel zu erheben. Auch dabei spielte der Krieg eine wichtige Rolle. Man konnte wie gesagt reich werden, sehr reich, indem man die Armee und die Flotte mit Ausrüstung versorgte. Dazu kam, dass beispielsweise Johan Banér und seine Truppen unten in Deutschland Material in großen Serien und in standardisierter Ausführung verlangten: Damit die Kugel in den Lauf passte, musste das Kaliber der Musketen einheitlich sein; damit man die speziellen Papierpatronen anwenden konnte, musste das Material eine bestimmte Dicke haben; damit die Waffe leicht zu reparieren war, mussten die verschiedenen Teile des Luntenschlosses einigermaßen austauschbar sein und so weiter. Noch immer wurde ein großer Teil der Produktion von einzelnen Handwerkern ausgeführt, die in aller Ruhe allein dasaßen und an Waffen feilten, deren Ausführung gewissermaßen immer individuell war. Aber die effektivste und vor allem
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