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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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mythologische Figuren und zogen «zu Fuß, in Wagen oder zu Pferd mit französischer zeremonieller Steifheit» vom Schloss zur Rennbahn beim Hötorget; dort waren Tribünen aufgestellt, und dort führte man zunächst ein kleines Theaterstück oder Ballett auf, an das sich ein Ringrennen oder Karussell anschloss. Bei den beiden letztgenannten Aktivitäten ritten Adlige im Kreis und versuchten, den aufgehängten Ring mit ihrer Lanze zu treffen. In dem Festzug anlässlich des Reichstags 1650 konnte man neben einem sich ohne Pferde fortbewegenden Wagen in Weiß, Gold und Blau, der die Form eines Drachen hatte und eine nackte blonde Frau trug, die Amor vorstellte, lange Reihen von Nymphen, Musen, Tänzerinnen in aufgeschlitzten Röcken, Trompeter und federbuschgeschmückte Krieger sowie mehrere sonderbare, eigens aus Nürnberg herangeschaffte Erfindungen und quietschende Maschinen bestaunen, wie man sie in Schweden noch nie gesehen hatte. Diese Vorstellungen begannen in der Regel am Vormittag und dauerten bis zum Einbruch der Dunkelheit, wenn alle zurück zum Schloss zogen, wo anschließend gespeist und getanzt wurde. Die sonst so dunkle Stadt war hell erleuchtet; eine Straßenbeleuchtung, die diesen Namen verdiente, gab es sonst nicht, doch bei diesen Anlässen brannten auf den Plätzen große Freudenfeuer, die Brücken waren mit bunten Bögen und Lampions geschmückt, und am Himmel knatterte Feuerwerk – kein Fest und kein Aufzug kam in dieser Epoche ohne ein gehöriges Maß an Pyrotechnik aus.
    Kostümfeste waren in Hofkreisen überhaupt populär. Während die Aufzüge etwas vornehmere Veranstaltungen waren, die nicht selten klare politische Untertöne hatten und eine endlose Reihe von mythologischen und allegorischen Gestalten in grellbunten und höchst phantasievollen Kostümen umfassten – griechische, römische und altnordische Götter, Cyrus, Julius Caesar und Pompejus, Türken, Indianer, Mohren und Perser, «die Wahrheit», «das Glück», «das Gerücht», «die Heuchelei» und so weiter –, gab es auch einen Typ von populären Oberklassemaskeraden, die etwas burlesker waren, das sogenannte Bauernspielen – ein Import aus der deutschen Hofkultur: Man ahmte das Leben in einem Wirtshaus nach, wobei die Teilnehmer sich als einfache Leute verkleiden und vom Abend bis zum Sonnenaufgang kleine Burlesken über die Misere der Bauern spielen mussten. Die verschiedenen Rollen wurden in der Regel ausgelost. Bei einem solchen im Dezember 1650 gehaltenen Bauernspiel war Königin Christina als holländische Dienstmagd verkleidet, Karl Gustav als Spanier, sein Bruder Herzog Adolf als holländischer Knecht, und ein englischer Graf auf Besuch fand sich in einen Narren verwandelt. Bei einer anderen Gelegenheit 1653 stellte Christina eine Schäferin dar, ausstaffiert mit einer diamantenbesetzten Tracht, die nicht sonderlich realistisch gewesen sein dürfte; die Königin war ihrer Rolle jedoch nach einer Weile überdrüssig, zog sich um und ließ in einem Ausbruch der für sie so typischen Freigebigkeit alle Edelsteine abtrennen und unter den Festteilnehmern ausstreuen.
    Stockholm. Stich nach einer Zeichnung von Erik Dahlberg
    Das gesamte Theaterleben und andere Vergnügungen in Stockholm nahmen nach 1648 einen großen Aufschwung. Gaukler, Taschenspieler, Seiltänzer, Puppenspieler und Gruppen englischer, französischer, holländischer und italienischer Komödianten besuchten von Zeit zu Zeit die Hauptstadt und traten sowohl vor der Bevölkerung als auch bei Hof auf. Auch Tierhatzen, bei denen der in Prag erbeutete Löwe häufig eine Hauptrolle spielte, lockten ein großes Publikum an. Bei einer solchen Gelegenheit hetzte man diesen Löwen auf «eine kleine bunte Kuh», einen Büffelochsen, ein Pferd und einen Bären. Ein Augenzeuge beschreibt das Finale wie folgt:
    Als nächstes ließ man den Bären ein, welcher sich mit einer schrecklichen Furie sogleich auf einen Mann stürzte, den sie aus Stoff gemacht hatten und den er in tausend Stücke riß. Dann ging er auf den Löwen los, doch der Löwe lief sogleich davon. Schließlich schaffte der Bär es, auf den Rücken des Löwen zu springen, wo er sich festhielt und den Löwen vier-oder fünfmal in den Rücken biß. Der Löwe blieb dennoch still liegen, bis schließlich der Bär ihn mit der Tatze auf den Rücken schlug. Da versetzte der Löwe ihm einen derart starken Schlag zurück, daß der Bär greulich schrie und sich nicht mehr dorthin wagte. Dann wurde der Löwe

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