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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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hatte zu bereuen, dass er sich nach Stockholm hatte locken lassen, war der berühmte Philosoph René Descartes. Er war gewissermaßen der Schöpfer des neuen und revolutionierenden mechanistischen Weltbildes, in dem das Universum als etwas Grenzenloses dargestellt wird, eine riesige Maschine, die den Gesetzen der Natur folgte und ohne göttliches Eingreifen funktionierte und wo wirkliches Wissen nur durch eine exakte und experimentelle Forschung erlangt werden konnte, die allein vom freien Gedanken geleitet war. Wohlgemerkt, dies waren nicht nur hochfliegende Gedanken, die eine kleine, erlesene Schar von wissenschaftlich Neugierigen interessierte. Auch Descartes’ Ideen müssen vor dem Hintergrund der Stimmungen und Erwartungen gesehen werden, die zu dieser Zeit herrschten. Der Schock angesichts des Chaos und der Zerstörung, die der große Krieg angerichtet und mit denen die vielen Revolutionen gedroht hatten, hatte wie erwähnt einen allgemeinen Ruf nach Ordnung ausgelöst. Und Descartes führte eine Vision der Welt als einer harmonischen und stabilen Einheit vor, die im Einklang mit unumstößlichen Gesetzen wirkte, wo alle Ordnung von der «höheren» Ebene hinunterströmte zu der «niederen». In einem von der Macht der Analogien und der Allegorien besessenen Europa lag es nicht fern, diese Ideen auf die Welt der Menschen zu übertragen, zum Beispiel die lebenspendende Sonne im Zentrum des Planetensystems. Sie musste doch nicht mehr Gott sein, konnte sie nicht genauso gut die Zentralmacht sein, der König?
    Descartes traf Ende 1649 in Stockholm ein, angetan mit einer schön gelockten Perücke, elegant bestickten Handschuhen und modisch spitzen Schuhen. Wenn dieser herausgeputzte philosophische Riese, der alle seine Bücher und unpublizierten Manuskripte mit sich führte, gehofft hatte, Stockholm und die mächtige schwedische Königin als politische Basis für die Verbreitung seiner revolutionierenden Ideen benutzen zu können, wurde er jedoch bald eines Besseren belehrt. Christina war zwar über die Maßen zufrieden mit der neuesten Erwerbung für ihr wissenschaftliches Herbarium, doch gerade zu diesem Zeitpunkt war sie unerbittlich in Anspruch genommen von dem großpolitischen Reinemachen nach dem deutschen Krieg und von der heiklen Thronfolgefrage. So wurde der ergraute Philosoph in eine Kammer des Schlosses abgeschoben, wo er dazu verleitet wurde, Texte zu einem Ballett zu schreiben, und auch eine kleine Komödie begann, während die anderen Gelehrten ungnädige und eifersüchtige Blicke auf ihn warfen. Nach einiger Zeit war die Reihe an Descartes aufzutreten, und zu seinem grenzenlosen Entsetzen wurde er aufgefordert, der Königin morgens um 5 Uhr seine Visite zu machen. Dreimal in der Woche stand er zu dieser für ihn ungewohnten Zeit auf und begab sich in Christinas eiskalte Studierkammer, wo er bald feststellte, dass die Königin sowohl gelehrt als auch beeindruckend sprachbegabt war, dass sie aber keinen größeren Sinn für seine bahnbrechenden Theorien hatte. Er fühlte sich nicht wohl und bebte vor Kälte. In einem Brief an einen seiner französischen Freunde zu Hause schrieb er klagend: «Die Gedanken der Menschen hier scheinen im Winter zu frieren, wie das Wasser friert.» Und kaum hatte der Privatunterricht mit Christina begonnen, bekam der niedergeschlagene Descartes eine Lungenentzündung. Er starb nach nur vier Tagen.
    Neben diesen hohen und farbenreichen Blüten der Gelehrsamkeit gab es eine üppige niedere Vegetation von weniger bekannten libertinistischen Poeten, Schwärmern, gelehrten Originalen und literarischen Himmelsstürmern, die Eindrücke und Ideen von dem merkwürdigen Netzwerk von Freidenkern und Millenaristen einführten, das draußen auf dem Kontinent existierte. All dies fügte sich zu einem ungewöhnlich reichen intellektuellen Milieu zusammen, in dem zahlreiche wechselnde und einander widerstreitende Meinungen sich begegnen, aneinander reiben und aufeinanderprallen konnten. Von Anfang an in einem toleranten Geist geschult, war Christina auch als erwachsene Frau und Monarchin offen für neue Eindrücke. Allein die Tatsache, dass sie auch nach ihrer Thronbesteigung ihre Studien weiterbetrieb, wurde als ungewöhnlich angesehen. Noch erstaunlicher war, dass ihre Toleranz und intellektuelle Neugier mit einer tiefen Frömmigkeit gepaart war. Dass sie gläubig war, war natürlich nichts Ungewöhnliches, das waren alle; ungewöhnlich ist, dass ihr inniger Glaube sich nicht von dem

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