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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Hinsicht blieb er, trotz all seiner Anstrengungen, Erik Jönsson. Sobald junge Aristokraten auf dem Schauplatz erschienen und lüstern nach dem Posten griffen, der Erik bereits zugesagt worden war, musste der nichtadlige Herr Jönsson zwangsläufig zurücktreten, all seinen übrigen Vorzügen zum Trotz. Deshalb wurde es nichts mit der Gardekompanie. Das Problem war ihm seit langem bewusst. Er war ja einer der neuen Männer im Staat, dieser jungen hungrigen Karrieristen, die mit wachsendem Zorn und zunehmender Enttäuschung erlebten, dass sie von allerlei feingekleideten Leuten ausmanövriert und an den Rand gedrängt wurden: von Leuten, die zwar weniger geeignet waren, aber dennoch den Vortritt erhielten, weil sie hübsch patinierte Adelsbriefe, wohlklingende Namen und ansehnliche Ahnen hatten. Dies scheint jedoch das erste Mal in seinem Erwachsenenalter gewesen zu sein, dass er von diesem Klassensystem ernstlich betroffen war, also nicht nur in Form des subtileren Hohns der Etikette und der ökonomischen Privilegien, sondern direkt und persönlich, gleichsam mitten ins Gesicht. Wenn es wirklich darauf ankam, reichten alles Wissen und alle Energie in der Welt nicht aus, dann reichte es nicht, dass man wie ein Edelmann aussah, dann musste man ein Edelmann
sein.
    Der Rückschlag war eine weitere Enttäuschung für Erik, die ihn offenbar bitter und missmutig machte gegenüber der Aristokratie und ihren privilegierten jungen Männern. Er war 29 Jahre alt, und eine Karriere war noch nicht einmal in Sicht – und dies in einer Zeit, in der 30 als reifes Alter angesehen wurde. Und solange Frieden war, würde seine Beförderung «sehr langsam vonstatten gehen», schreibt er im Tagebuch, «angesichts dessen, daß so viele große Herrenkinder im Weg waren». Also musste Erik sich für die Zeit des Wartens darauf, dass entweder der Friede oder alle «großen Herrenkinder» aus der Welt geschafft würden, eine andere Beschäftigung suchen. Und jetzt hatte er Glück.
    In Stockholm teilte er das Logis mit zwei jungen Freiherren, Mårten und Henrik Cronstierna, Sprösslingen eines vornehmen Bürgers aus Riga mit Namen Struberg, der eine ähnliche Karriere durchlaufen hatte wie Gert Rehnskiöld und auch zum Dank geadelt worden war. Die beiden waren unterwegs auf Kavalierstour nach Frankreich und Italien. Sie fragten ihn, ob er sie nicht als Instrukteur und Lehrer in Fortifikation begleiten wolle; sie würden nicht nur seine Reise bezahlen, sondern ihn auch für seine Bemühungen entlohnen. Da alle übrigen Alternativen sich nach und nach verflüchtigten, wurde das Angebot der Brüder Cronstierna immer verlockender. Und seit langem verspürte er selbst ja eine «über alle Maßen große Lust, in weit entfernte Länder zu reisen und fremde Sprachen zu lernen»: Sie gaben ihm die Chance, einen alten Traum zu verwirklichen, den er schon seit vielen Jahren hegte.
    Es war, als stünde er in diesem Herbst 1654 vor einer bedeutsamen Wahl: Entweder konnte er zu Hause bleiben und weiter einer guten militärischen Position nachjagen und damit seine Laufbahn als Soldat vollenden, oder er konnte auch die entgegengesetzte, künstlerische Seite seines Ichs bejahen, nach Italien reisen und sich im Zeichnen und in Architektur weiterbilden. Krieg oder Frieden? Erik entschied sich für das Letztere. Er nahm das Angebot der Cronstiernas an. Mitte Oktober 1654 verließen er und die beiden Freiherren Stockholm mit einem Schiff, das nach Süden segelte. Es sollte gut vier Jahre dauern, bis Erik Schweden wiedersah. Dann sollte sich alles verändert haben.
    Die drei gingen in Travemünde an Land und begaben sich auf eine mäandrische Reise nach Süden. Es wurde eine in vielfacher Hinsicht typische Kavalierstour. Auf ein paar Reisetage in dem kalten Spätherbst (an denen im Durchschnitt vom Morgen bis zum Abend 50 bis 60 , doch zuweilen auch bis zu 100 Kilometer zurückgelegt wurden) folgte ein Aufenthalt von einigen Tagen in einer größeren Stadt, wo man Atem schöpfte und die Sehenswürdigkeiten des Orts in Augenschein nahm, dann ein neuer Sprung nach Süden. Die Reise führte über Lübeck, Hamburg, Leipzig, Dresden, Prag und Nürnberg nach Augsburg. Als die Touristen, die sie waren, sausten sie umher und bestaunten alles mit der gleichen entwaffnenden Neugier. Verschiedene nützliche Einrichtungen (das Kinder-und Zuchthaus in Hamburg, die Saline in Lüneburg, die Kollegien in Dresden, die 634 Schritte lange Karlsbrücke in Prag und anderes) wechselten

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