Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
einmal in einem umso massiveren Dunkel sein Ende haben.
Die Luft in Stockholm schwirrte von Reden von Krieg und Kampagnen, Musterungen und Sold, und Offiziere wurden wieder ein gewohnter Anblick bei Hof. Zahlreiche Schlossbedienstete und Lakaien fanden sich plötzlich unversorgt, als Christinas großartige Hofhaltung nach ihrer Abreise in sich zusammenfiel, und wer dazu in der Lage war, tauschte die Livree und die hochhackigen Schuhe gegen die Uniform und sporenversehene Stulpenstiefel. Viele drängten sich, um als Volontäre an dem Konflikt teilzunehmen, der im Frühjahr zwischen der Stadt Bremen und der schwedischen Krone ausbrach. Es kam auch zu einem regelrechten Wettrennen zu verschiedenen hohen Militärs und Regimentskommandeuren, die mit Bitten um Posten überhäuft wurden.
Erik Jönsson war einer der jungen Aufsteiger, die in dieser Situation eine Chance und einen Karrieresprung witterten. Er suchte seinen einstigen Patron Rehnskiöld auf, der sich damals in Schweden aufhielt, und erklärte ihm, er strebe einen höheren Posten an als den eines Kondukteurs, doch Rehnskiöld glaubte, dass ein solcher schwer zu bekommen sei. Noch herrschte Frieden, und noch gab es genügend arbeitslose Offiziere, die eifrig um die freien Stellen rangelten. Rehnskiöld gab Erik den Rat, nach Pommern zurückzukehren und dort seine Zeit abzuwarten. Zwar meinte Rehnskiöld, dass Eriks anderer Wohltäter, Mardefelt, ihm keine Stellung als Ingenieur in Demmin versprechen könne, doch wenn Erik bei Rehnskiölds Patron Carl Gustav Wrangel, der ja auch Generalgouverneur in Pommern war, einen Kratzfuß machte, würde dies vielleicht mit einem höheren Titel enden.
Erik tat, was er konnte. Am Ende des Sommers besuchte er Carl Gustav Wrangel, der sich zu diesem Zeitpunkt gerade bei dem hochherrschaftlichen Schloss befand, das er außerhalb von Uppsala zu bauen begonnen hatte. Wrangel war auch willens, Erik beim König zu empfehlen – so funktionierte das Klientensystem häufig: Jemand setzte sich bei seinem eigenen Patron für einen eigenen Klienten ein, der diesem seinerseits weiterhalf; es galt, jemanden zu kennen, der jemanden kannte, der jemanden kannte. Nach einer Aufwartung im Schloss gab König Karl Gustav durch einen seiner Adjutanten Erik die Zusage, dass er einen Posten als Kompaniechef bei der Leibgarde bekommen sollte, eine glänzende Position für einen karrierehungrigen jungen Mann. Die Leibgarde war der Verband mit dem höchsten Prestige im ganzen Reich, und ein Posten dort war ein ausgezeichnetes Sprungbrett für eine weitere militärische Karriere. Der Verband befand sich auch in einem Wandlungsprozess. Zu Christinas Zeit war er mehr und mehr zu einer Sammlung hübsch anzuschauender Porzellanpuppen geworden, die in erster Linie als Staffage für die Aufstellung bei Paraden und in Bankettsälen diente. Karl Gustav zeigte kein Interesse an solchem Firlefanz, sondern hatte bereits vor seiner Thronbesteigung begonnen, die Leibgarde wieder für ihren ursprünglichen Zweck zu drillen: Krieg.
Die formalen Qualifikationen für die Erlangung eines Postens als Offizier der Krone waren zu dieser Zeit unklar. Eine geregelte Ausbildung gab es nämlich nicht, es war vielmehr dem zukünftigen Krieger selbst überlassen, sich die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen. Theoretische Studien unter anderem in Fortifikation, Mathematik und Artilleriewesen sowie eigene militärische Erfahrung wurden hoch bewertet, außerdem hieß es, dass ein Offizier mutig, ernsthaft und fleißig sein solle. Aber auch, wenn eine Person die vagen Ansprüche erfüllte, die an einen Offizier in spe gestellt wurden, reichte dies oft nicht aus. Am besten hatte man noch zwei Dinge. Das eine waren Kontakte. Das andere war ein Name.
Kontakte hatte Erik. Durch seine zwei Patrone Rehnskiöld und Mardefelt befand er sich seit einiger Zeit an der Peripherie des Netzwerks, das von König Karl Gustav ausging – Christinas Abdankung und die Thronbesteigung des Pfalzgrafen waren für Erik Jönsson eine glückliche Fügung gewesen. Aber einen Namen hatte er nicht. Seinem guten Kopf, seinen Erfahrungen und seiner rastlosen Energie zum Trotz war er noch immer ein Nichtadliger. Seine Vorfahren waren höchst einfache Leute gewesen: Bauern, Bergleute, niedere Beamte. Leute vom Land ganz einfach. Wieviel er auch studierte, übte, seine groben Manieren schliff und arbeitete, arbeitete, arbeitete, diese betrübliche Tatsache konnte er nicht ändern. In dieser
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