Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
mit verschiedenen historischen Stätten (Magdeburgs traurige Ruinenwüste, das Gebäude in Prag, wo der berühmte Fenstersturz stattgefunden hatte – und nicht zuletzt der Schlossgraben, wo die von zwei Pyramiden gekennzeichneten Aufschlagstellen zu sehen waren –, der Platz, wo 1620 die Schlacht am Weißen Berg stattgefunden hatte, das schöne Haus in Nürnberg, wo Karl Gustav 1649 das Friedensbankett gab und so weiter), mit verschiedenen künstlerischen und architektonischen Sehenswürdigkeiten (vier Bilder von Albrecht Dürer in einer Kirche in Lübeck, die Gemäldesammlung im Augsburger Rathaus, die kurfürstliche Residenz in München mit ihren spiegelblanken Marmor-und Alabastersäulen und so weiter), religiösen und geistlichen Varia (ein Marienbild hier, ein Reliquienschrein dort, die Schale, in der Pontius Pilatus sich die Hände wusch – Erik beurteilte ihre Echtheit jedoch etwas skeptisch – sowie Kirchen, Kirchen, Kirchen) plus einer Vielzahl von Kuriositäten und lustigem Allerlei (die missgebildete Frau in Dresdens Kunstkammer, die einem Elefanten glich, St. Maria Nigrata in Augsburg: das Bild, das jedes Mal, wenn es gemalt wurde, über Nacht die Farbe verlor und wieder schwarz wurde; die Spuren der Pferdehufe auf der Bastion in Nürnberg, wo der Hexenmeister Abel von Gallen seinen Sprung über den Wallgraben getan haben sollte und so weiter). Hinter diesem mit einem leichten Anstrich von Wissensaneignung verbrämten Tourismus mit seinem Interesse für alles und alle, für Großes und Kleines, Sakrales und Profanes, Wesentliches und Läppisches, kann man den
l’uomo universale
der Renaissance, den allseitigen Menschen ahnen, für den nichts Menschliches uninteressant ist, der alles lernen will und glaubt, dass man alles lernen kann. In diesem Fall ist es jedoch nicht nur als Versuch zu sehen, dem umfassenden Bildungsideal der Zeit zu entsprechen. Es muss auch als ein Reflex der wachsenden Ambitionen der neuen Aufsteigerschichten in Schweden gesehen werden – zu deren Reihen nicht nur Neuangekommene wie die beiden jungen Cronstiernas zählten, sondern auch solche, die noch auf dem Weg waren wie Erik Jönsson.
Gegen Ende der Reise durch Deutschland besuchten sie das kurfürstliche Schloss Oberschleißheim, das ein paar Wegstunden nördlich von München lag. Sie konnten dort außer dem schönen Schloss auch einen herrlichen Garten mit Grotten und Springbrunnen sehen. Eins der pikantesten Details in dem gründlich gezähmten Grün des Schlossparks war eine kleine, schicke Kolonie von fünfzehn angemieteten Berufseremiten. Solche gab es in größeren Parks, um diesen die rechte Atmosphäre von meditativem Frieden und Ursprünglichkeit zu geben, und sie wurden häufig für jeweils ein Jahr angestellt, nur um langbärtig und gedankenschwer auszusehen.
Sie dingten einen Mann, der Erik und seine Gesellschaft in der doppelten Funktion als Führer und Kutscher Mitte Dezember 1654 auf dem alten Handelsweg begleitete, der von Augsburg nach Venedig und zum Mittelmeer führte. In schneidender Winterkälte begannen sie, die schneebedeckten Alpen zu überqueren. Es ging ständig aufwärts, dem Schnee und den Alpenspitzen entgegen, und das Tempo wurde immer langsamer. Der Weg schrumpfte zeitweilig zu einem schmalen Pfad, der sich an tiefen Abgründen entlang und über Felsklüfte hinweg vorwärtsschlängelte. Am 19 . Dezember passierte die dick vermummte Gesellschaft den Brenner und erreichte eine habsburgische Grenzfestung, wo der Kommandant ihnen ein Gesundheitszeugnis («Fede di sanità») ausstellte, das erforderlich war, um nach Venedig eingelassen zu werden. Die Grenze war wie immer schwer zu entdecken, aber Erik merkte, dass sie sich langsam ihrem Reiseziel näherten, denn mehr und mehr Menschen, die ihnen begegneten, sprachen Italienisch; in Trient konnten sie feststellen, dass nur noch Italienisch gesprochen wurde.
Früh am Morgen des ersten Weihnachtstags sahen sie die Poebene vor sich; die Bergwanderung war vorüber, sie hatten die Republik Venedig erreicht. Die Eintragungen im Tagebuch atmen Freude und Erleichterung:
In Bessano sahen wir das schöne Italien vor uns, begannen auch von den Bergen und Alpes ganz herunterzukommen. Und wie wir in den vorhergehenden Tagen im Winter und über Schneeberge gereist waren, so kam uns nun eine warme, liebliche und wohlduftende Luft entgegen, so daß wir wohl sagen konnten, daß wir Winter und Sommer an einem Tag hatten.
Sie kamen hinunter in die schöne Ebene
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