Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
rechteckig, ein klein wenig länglich und gleichsam kantig. Die Wangen sind glatt. Die Nase ist das Erste, was man bemerkt. Sie ist gerade und lang und wirkt fast unproportioniert gegen das pointierte, doch ein wenig schüchterne Kinn. Der Mund ist klein, die Lippen sind füllig; die Oberlippe beschreibt einen schön gezeichneten Amorbogen, während die Unterlippe sinnlich vorgeschoben ist. Auf der Oberlippe sitzt ein sehr schmaler und modegerecht dünner Schnurrbart, fast nur angedeutet von den Nasenflügeln hinab an den Mundwinkeln vorbei. Etwas in diesem Gesicht wirkt ebenso zusammengesetzt und gegensätzlich wie die widerspruchsvolle Verbindung seiner Glieder mit dem Körper. Es ist jedoch schwer, genau zu sagen, was diesen Eindruck hervorruft. Möglicherweise ist es die Pose, die Zügen, die ansonsten energisch genannt werden würden, eine Andeutung von Resignation verleiht. Möglicherweise ist es der Mund, der zugleich empfindsam und verkniffen ist.
Dann die Augen und der Blick. Die Augen scheinen ins Grüne zu tendieren, und das rechte schielt ein ganz kleines bisschen. Und sein Blick fällt genau zur Seite, neigt sich mit dem Kopf dem Bildrand zu, wo die Augen gleichsam zufällig etwas gefunden haben, an das sie sich heften. Hierin liegt, glaube ich, der Schlüssel zu dem Bild.
Das Gemälde hat natürlich einen ausgeprägt allegorischen Charakter; natürlich, weil alle Kunst des 17 . Jahrhunderts ebenso wie das Denken selbst ihrem Wesen nach allegorisch war. Das Bild enthält eine Reihe von Symbolen, die als Träger des Bildtextes fungieren. Und dieser Text kann rein allegorisch und rein biografisch gedeutet werden; außer dass er eine Schilderung des melancholischen Temperaments ist, sagt er wahrscheinlich einiges über Erik Jönsson persönlich. An seinem rechten Ellenbogen, auf etwas, das eine Kiste zu sein scheint, die als Tisch dient, liegen zwei dicke Bücher. Sie stehen für Studien. Dass beide zugeschlagen sind, kann möglicherweise ein Zeichen dafür sein, dass diese auf ihr Ende zugehen. Hinter seinem Rücken scheint eine fiktive Landschaft auf, ein geborstener und grasüberwachsener Säulensockel und eine zerbrochene Skulptur. Diese antikisierenden Fragmente geben den Ort der Studien an: Italien. Auf seinem Schoß liegt das, womit er sich beschäftigt hat bis zu dem Augenblick, bevor der Pinsel des Malers und das Auge des Betrachters ihn fixiert haben. Es ist ein einzelnes Blatt Papier mit einer geometrischen Skizze, vielleicht eine kleine Übung für einen Baumeister in spe. Die linke Hand ruht auf dem Papier, wie um es zu glätten, doch die Geste und die Haltung der Finger ist klassisch. Er zeigt auf die Skizze. Oder? Denn was ist es, das er betrachtet?
Der Blick ist von dem Papier in seinem Schoß fortgeglitten und hat sich auf etwas anderes gerichtet. Die Geste des in die Hand gelehnten Kopfs erscheint damit nicht als müde, sondern eher als zerstreut und nicht wenig gelangweilt, als sei er der geometrischen Übung überdrüssig und von einem plötzlichen Gedanken überfallen worden, als sei er an etwas erinnert worden. Er blickt auf eine kleine Gruppe von Gegenständen am unteren linken Bildrand: einen Krug und zwei Schädel. Die Schädel sind ein häufig benutztes Symbol der Vergänglichkeit. Hier sind sie jedoch wahrscheinlich etwas mehr als eine Erinnerung daran, wie kurz und gebrechlich das Leben ist. Denn es sind zwei verschiedene Schädel: ein Menschenschädel und ein Pferdeschädel, ein gefallener Reiter und sein Pferd. Maler setzten oft kleine Bilder ins Bild, Gemälde ins Gemälde, wenn sie sich vergewissern wollten, dass eine bestimmte Pointe klarwurde. Das hat Klöcker hier auch getan. Auf dem Krug sieht man eine kleine Gruppe von Figuren, Krieger. Zwei von ihnen halten einen dritten, barhäuptigen Mann in Rüstung, der verwundet und im Begriff ist zusammenzubrechen.
Hier auf dem Bild sehen wir wieder Eriks Lebenswahl, die zwei Wege. Die Bücher, die beiseitegeschoben hinter seinem Ellenbogen liegen, und das Papier auf seinem Schoß stehen für den Weg der Feder; die Gegenstände in der Ecke des Bilds stehen für den des Schwerts. Auch wenn die Gefahr einer Überinterpretation besteht, könnte man dies vielleicht so deuten, dass wir hier einen Mann sehen, der begonnen hat, seiner Studien überdrüssig zu werden, und den Krieg als Karriere in Betracht zieht, der aber vor dem Tod und den Gefahren, die dies mit sich bringt, zurückschreckt: der will und nicht will.
Die Briefe
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