Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
die ihnen mit schussbereiten Waffen drohten, «das Geld herzugeben oder das Leben zu verlieren». Dem Führer der Gesellschaft gelang es jedoch, mit den Banditen zu verhandeln, und diese ließen sie durch, nachdem sie einen kleineren Tribut von 36 Talern entrichtet hatten. Schon am Tag danach wurden sie Opfer noch eines Überfalls, doch diesmal müssen die Banditen etwas weniger professionell gewesen sein, denn Erik und seiner Gesellschaft gelang es, ihnen davonzureiten.
Im Mai war er endlich wieder in Rom. Als er dort ankam, war es, als habe ihn Reue befallen angesichts seiner Lebenswahl und als habe er sich wieder anders besonnen. Vielleicht war es der Freund David Klöcker, der nun nach Rom gezogen war, der ihn überreden konnte. Wie auch immer, er entschloss sich, den Sommer dazu zu benutzen, sich in den schönen Künsten weiterzubilden und vor allem weitere Studien in ziviler Architektur zu betreiben – er tanzte noch einen letzten Sommer. In den römischen Malerakademien musste Erik sich darin üben, nach lebenden Modellen zu zeichnen. Die meiste Zeit verwandte er jedoch darauf, verschiedene antike Bauwerke auszumessen und sich in der Baukunst zu üben. Der Ort war gut gewählt. Rom war ja in noch höherem Grad als Venedig eine Hochburg des Barock – gerade in diesem Jahr begann Bernini die Kolonnaden vor dem Petersdom zu errichten, die sein Meisterwerk werden sollten, zur gleichen Zeit begann da Cortona mit der Arbeit an der Fassade der Kirche Santa Maria della Pace. Erik hatte an Sicherheit und Selbstvertrauen gewonnen, seit er nach Venedig gekommen war, denn seine Zeichnungen waren in der Ausführung freier geworden. In Venedig hatte er oft nach Veduten gearbeitet, die der Lehrer ihm gegeben und die er später in seiner Kammer kopiert hatte; jetzt, in Rom, ging er selbständig in der Stadt umher und machte eigene Skizzen an Ort und Stelle in der Sommerluft, von Palästen und Kirchen, großen Fassaden und kleinen Details an den Bauten, das meiste in Bleistift. Wie ärmlich er in dieser Zeit lebte, geht daraus hervor, dass er beim Zeichnen oft beide Seiten des dünnen römischen Papiers benutzte. David Klöckers und Erik Jönssons Interessen gingen indessen immer weiter auseinander. Im Gegensatz zu Erik war Klöcker fest entschlossen, seine künstlerische Karriere weiterzuverfolgen, und während sein Freund immer mehr Zeit auf die Architektur verwandte, widmete Klöcker sich immer zielbewusster der Malerei. Er hatte auch einen hervorragenden Lehrer in Pietro da Cortona gefunden, dem bejahrten Mann, der als einer von Roms hervorragendsten Malern und Architekten galt und vor allem für seine großen und fast schwindelerregend pompösen Wand-und Deckengemälde bekannt geworden war.
Während dieser Zeit bei da Cortona malte David Klöcker ein Porträt seines Freundes Erik Jönsson. Es ist die erste Abbildung, die wir von ihm haben.
Erik ist auf dem Bild dreißig Jahre alt und sitzt in einer müden Pose, zwar mit geradem Rücken wie ein geübter Reiter, doch den Kopf bequem auf die recht Faust gestützt. Er trägt sonderbare Kleidung von eindeutig orientalischem Zuschnitt: auf dem Kopf einen Turban mit blaugrauen und rosa Stickereien, und über einem großen, weißen Leinenhemd mit aufgekrempelten Ärmeln einen rotbraunen, talarähnlichen Schlafrock ohne Kragen mit Fransen und kleinen Knöpfen – zweifellos eine Reminiszenz an seine beiden Ausflüge in das Osmanische Reich. Es ist eine auffallend einfache Kleidung, an der außer den Fransen kein Schmuck zu sehen ist. Es ist die Kleidung eines armen Karrieristen, der noch keine Karriere gemacht hat. Der Nacken erscheint recht kurz, aber muskulös, sein Rücken ist wie die Schultern ziemlich breit und macht den Eindruck von Stärke und Geschmeidigkeit. Die Knie sind groß und lassen auf muskulöse Beine schließen. Die Arme dagegen sind weder besonders lang noch muskulös, die Handgelenke und die Hände sind fein, und die Finger sind lang, feingliedrig und fast wie die Finger einer Frau. Er hat den Körper eines Kriegers, aber die Hände eines Künstlers.
Dann das Gesicht. Erik Jönsson muss wohl als ein schneidiger Mann bezeichnet werden, wenn auch ein wenig zu abgemagert, als dass ein Zeitgenosse ihn schön gefunden hätte. Er trägt keine Perücke – ein neumodischer Luxus, der zweifellos jenseits seiner finanziellen Möglichkeiten lag –, und eine schüttere Strähne seines braunen Haars fällt in die freie und glatte Stirn. Das Gesicht ist mager,
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