Verwüstung
rechtes Bein, angeblich auf der Suche nach Knochenbrüchen. Aber Mira, die sich daran erinnerte, was vor wenigen Stunden im Kinderzimmer geschehen war, wusste, dass er es ungeheuer genoss, sie vor Crystals Augen so anzufassen und dann auch noch unter dem Vorwand, es nur zu tun, um sie zu beruhigen.
Wellen des Ekels überkamen Mira, ein übler Geschmack erfüllte ihren Hals. Als er sich über ihre Beine beugte, um Crystal zu beweisen, dass nichts gebrochen war, ließ es Mira zu, dass sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen öffneten, und sie schnellte plötzlich ihre Beine hoch. Ihr nackter Fuß traf Franklins Gesicht, er stürzte nach hinten, Mira rollte sich nach links, weg von ihm, und rappelte sich auf, bevor er aufstehen konnte. Sie rannte durch den Flur. Sie platschte durch das Wasser, ihr Herz raste, Blut rauschte in ihren Ohren. Sie stolperte über etwas im Flur, und obwohl sie nicht sehen konnte, was es war, spürte sie, dass es die Leiche desjenigen war, der an der Tür geklingelt hatte. Sie drehte an dem Schließriegel, drückte, aber die Tür ging nicht ganz auf.
Hinter ihr schrien erst Crystal, dann Franklin, anschließend beide zugleich. Mira warf ihren Körper gegen die Tür und sie gab so weit nach, dass sie sich hindurchquetschen konnte. Sie taumelte durch die Trümmer, die die Tür blockierten – die Überdachung, sie ist zusammengekracht – und verlor das Gleichgewicht. Als sie nach vorn kippte, streckte sie die Arme aus, um ihren Fall zu bremsen, und krachte gegen etwas Riesengroßes. Dann wurde ihr klar, dass dies ein Hummer war, der Wagen, den der Mann im Flur gefahren hatte.
Mira landete auf den Knien, und die Luft schoss aus ihren Lungen. Steh auf, steh auf, lock ihn weg vom Haus, weg von Annie und Nadine. Schnell. Sie wusste, dass sie etwas Zeit gewonnen hatte, weil er es nicht schaffen würde, sich durch die Öffnung der Tür zu zwängen, so wie sie. Aber wie viel Zeit? Genug. Mach weiter. Sie richtete sich auf und rannte hinten um den Hummer herum, kletterte über einen umgestürzten Baum, lief in den Garten. Der Wind und der Regen trafen sie, und ihre Füße versanken in dem See, in den sich ihr Garten verwandelt hatte. Das Wasser reichte ihr bis zu den Knien, der Schlamm quetschte sich zwischen ihre nackten Zehen, etwas stach in das weiche, zarte Fleisch dort. Ameisen? Skorpione? Oh Gott, Gott …
Sie wandte sich zur Straße, stemmt sich gegen den Regen und den Wind, die aus Osten auf sie zubrausten.
Der Schlamm sog an ihren Füßen, versuchte, sie festzuhalten, doch ihre Angst war stärker. Sie erreichte die Straße, platschte durch die Pfützen, ihre Gedanken verzweifelt und wirr. Sie hatte keinen Plan, außer Franklin vom Haus wegzulocken, fort von Annie und Nadine. Mira schaute zurück – und sah Franklins dunklen Umriss aus der Garage herauslaufen. Sie kämpfte gegen das Gewicht des strömenden Wassers und lief, so schnell sie konnte, über die Straße, ihr Plan war aus der Verzweiflung geboren. Sie würde nach Norden laufen und dann zwischen den Bäumen verschwinden, die auf dem Hügel wuchsen.
Annie, zusammengekauert hinten in dem sicheren Raum, wo sie zu sich gekommen war, nachdem der Güterzug durch das Haus gebrettert war, hörte alles. Und rührte sich nicht. Sie atmete kaum, bis die blonde Tussi rief: »Hey, du kannst mich doch nicht hier drin lassen, Billy!«
»Hol deine Sachen und komm in dem Hummer hinter mir her«, rief er zurück.
Füße auf nassen Böden. Crystal fluchte. Neben Annie knurrte Ricki, aber Annie berührte ihre Schnauze, und die Hündin verstummte. Dann spürte sie, dass Crystal das Haus verlassen hatte oder in einen anderen Teil des Hauses gegangen war, also krabbelte sie vorwärts, sie flüsterte Nadines Namen, sie betete, dass sie nicht verletzt oder tot war.
»Nana?«
»Ich bin hier, mi amor . Geht es dir gut?«
»Ja. Dir?«
»Ich bin nass, und meine Ohren klingeln, aber sonst ist alles in Ordnung. Hast du Streichhölzer? Eine Taschenlampe?«
»Ich habe welche.« Das war Tia, die ein Streichholz entzündete und in die Höhe streckte. »Da ist ein großes Loch in der Wand.«
»Und Regen, ein leichter Sommerregen«, hauchte Annie. »Ist das das Auge? Oder ist der Sturm vorüber?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Tia zurück.
Annie krabbelte hinüber zu Tia und schaute durch das Loch in der Wand. Es war zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen, sie musste auch nicht viel sehen, um zu wissen, wie viel Wasser sich in der Küche gesammelt
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