Verwüstung
ebenso alt. Die Mango- und Grapefruitbäume waren jünger, hatten flachere Wurzeln und würden den Sturm wahrscheinlich nicht überstehen. Sie ging auch nicht davon aus, dass der weiße Staketenzaun oder die Veranda es schaffen würden. Doch eine Veranda und einen Zaun konnte man erneuern, Bäume konnte man nachpflanzen, einen Garten neu anlegen. Das Gebäude würde den Sturm selbst aushalten, da war sie sich sicher, aber könnte es auch ein Hochwasser von viereinhalb bis fünfeinhalb Metern überstehen, wenn Danielle direkt über die Insel zog?
Und was war mit dem Restaurant direkt nebenan? Mangrove Mama’s war ein echter Insel-Schuppen – entspannt, drinnen und draußen kreischbunt, und die Bude sah aus, als würde sie an einem ganz normalen Tag mit etwas Wind schon zusammenkrachen. Zugegeben, der Laden stand dort schon seit Jahren – genau wie sein Zwilling auf Sugarloaf Key. Ihr fiel auf, dass die Besitzer gar nicht da waren, die beunruhigten sich nicht über Flut, Sturmschäden oder einen Totalverlust, sie waren echte Inselkinder, die sich keine Sorgen über Hurrikan- Vorwarnungen machten und selbst bei Warnungen erst einmal abwarteten.
Aber hier war sie nun, Mira Morales, eine erstklassige Sorgenmacherin. Sie hatte darauf bestanden, sich mit Leo Dillard im Buchladen zu treffen statt im Gefängnis, weil sie zuerst wenigstens kurz hierher musste. Bevor sie Schutzmaßnahmen ergreifen konnte, musste sie sich überlegen, was sie überhaupt tun konnte, um den schlimmsten Fall zu verhindern. Sie musste durch die Gänge gehen und die Regale anfassen, die Bücher, sie musste auf ihre Intuition hören. Und sie musste das tun, bevor Dillard und sein Tatort ins Bild kamen, bevor seine Energie ihre störte, bevor, bevor …
Mira schaltete das Licht ein, und Annie und sie standen bloß da und sahen sich um. Im Augenblick betrug ihr Bestand fast vierzigtausend Bände, mehr als je zuvor, seit Nadine und sie den Laden vor fünf Jahren eröffnet hatten. Und sie konnte nicht alles auslagern. Das würde Tage dauern und mehr Platz beanspruchen, als sie zur Verfügung hatte. Bestenfalls konnte sie die Bücher aus den unteren Regale nach oben stellen und die Bände, die sich am besten verkauften, in Kisten packen – Romantik, Spannung, Jugendromane, politische Sachbuch-Bestseller, ein paar Ratgeber und Gesundheits/Diät-Titel.
Um sich besser zu fühlen, würde sie auch bestimmte übersinnliche Titel, die ihr viel bedeuteten, sichern – und augenblicklich empfand sie Panik darüber, was das bedeutete. Wo sollte sie anfangen? Tarot, Yoga, I Ging, Runen, Astrologie, Handlesen bis Mythologie, Quantenphysik, Reinkarnation, außerdem alles von Terrence McKenna, Louise Hay, Caroline Myss und Mona Lisa Schultz bis … oh, Gott, zu viele Bücher und nicht genug Zeit.
»Mom, wir brauchen Kisten«, sagte Annie.
»In meinem Büro im Schrank. Da sind reichlich Kartons.« Sie hatten Anfang der Woche eine große Lieferung erhalten, und sie hatte noch keine Zeit gehabt, die Kisten und Kartons zu zerlegen und ins Altpapier zu tun. »Da ist auch Klebeband, davon werden wir jede Menge brauchen.«
Annie schaute bestürzt. »Wo soll ich anfangen?«
»Mit den Büchern in den untersten Fächern und mit deinen persönlichen Lieblingen. Tu so, als lebtest du in Fahrenheit 451. Wo würdest du anfangen?«
» Harry Potter. Gossip Girls. Der goldene Kompass. Und die Bücher von John Edwards.«
»Wirklich? John Edwards? Der Fernseh-Hellseher? Warum der?«
»Ich mag seine Sachen. Außerdem …« – jetzt grinste sie – »… sieht er gut aus.«
»Wir haben Platz für ›gut‹. Wir haben keinen Platz für ›gut aussehend‹.«
Annie lachte. »Wo soll ich die Kisten hintun?«
»Stapel sie auf einen der Rollwagen.«
Annie eilte davon, und Mira ging tiefer hinein in den Laden. Außer den Büchern führten sie auch Musik, und sie entschied sich augenblicklich, so viele CD s wegzupacken wie nur möglich. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Kisten sie dafür brauchen würde.
Knapp dreihundert Quadratmeter und wenigstens ein Drittel davon gehörte zum Sportbereich und Coffeeshop. Die einzigen Sachen, die sie aus diesem Bereich sichern musste, waren die Espressomaschine, die sie ein kleines Vermögen gekostet hat, und die Computer.
»Mira?«, rief ein Mann aus der Richtung der Ladentür.
Sie brauchte einen Augenblick, um die Stimme einzuordnen, und als es ihr gelungen war, eilte sie durch die Gänge. Ace stand neben dem Tresen, ein groß
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