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Verwüstung

Verwüstung

Titel: Verwüstung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. J. MacGregor
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»Das hast du gesehen, oder?«
    Sie schwitzte jetzt intensiv, und plötzlich war ihr so übel, dass sie sich an das Regal lehnen und sich mit dem Arm über das Gesicht wischen musste. »Eine Sturmwelle, Ace. Bei Kilometerstein 65. Luke und du stehen im Stau, wenn das passiert.«
    »Aber wenn wir die Insel verlassen, würden wir es tun, sobald die Brücke offen ist. Der Sturm kommt frühestens in siebzehn Stunden. Wir wären also deutlich weiter nördlich.«
    Er hatte recht. Es ergab keinen Sinn.
    Kaum hatte sie seine Handflächen berührt, war der gradlinige Zeitverlauf verschwunden. »Ich sage dir bloß, was ich gesehen habe.«
    »Und wenn wir bleiben?« Er streckte ihr wieder die Hände entgegen, wie ein kleiner Junge, der nach dem Geschenk giert, das ein Erwachsener hinter dem Rücken hält. »Kannst du mir sagen, was passiert, wenn wir hierbleiben?«
    »Ich kann dir nur sagen, was ich sehe, Ace.«
    »Das meine ich doch.« Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, als wäre der Boden heiß und seine Füße verbrannten.
    Sie zögerte, dann wischte sie die Hände an ihrer Shorts trocken und legte sie erneut auf Aces Handflächen, er hielt still. Sie bat um Informationen über den Pfad, der in den dunklen, unheimlichen Wald führte …
    … und rumpelt in einem großen dreiachsigen Laster durch den Wald, so einem, in dem man Gefriergut transportiert. Er kracht über umgestürzte Bäume, durch riesige Pfützen, die der Wind peitscht, bis Wellen entstehen. Die Scheinwerfer schaukeln auf und ab, zwei helle Flecken in der nassen Dunkelheit. Regen trommelt an die Windschutzscheibe. Aces wundervolle dunkle Hände umklammern das Lenkrad.
    »Da drüben«, ruft Luke und zeigt auf einen Haufen Schutt und Geröll.
    »Mein Gott«, zischt Ace. »Sie sind in dem Keller unter all dem Zeug. Wir …«
    Die Ader versiegte. Mira umklammerte Aces Hände. Der Abgrund, der sich in ihrem Magen aufgetan hatte, bedeutete, dass das, was sie gesehen hatte, mit ihr zu tun hatte, mit Sheppard, vielleicht sogar mit Annie oder Nadine. Aber wie war das möglich? Sie würden den Sturm nicht in einem Keller im Wald aussitzen.
    Gib mir mehr.
    »Was?«, fragte Ace. »Was ist?«
    Szenen erscheinen und verschwinden schneller, als ihr Herz klopft. Da nähert der Laster sich der Abzweigung zu jener Abkürzung, die von Ost nach West über die Insel führt. Hier hocken Ace und Sheppard hinten im Laster, umgeben von den merkwürdigen Gerätschaften, die Ace und Luke für ihre Aufführungen benötigen. Jetzt ruckelt der Laster bergauf durch die Überreste einer Wohngegend. Bäume liegen wie gestürzte Riesen auf der Straße, Zäune sind verschwunden, Dächer abgedeckt, Garagen in sich zusammengebrochen. Und mit wachsendem Entsetzen begreift Mira, was sie sieht.
    Mira taumelte rückwärts, ihre Arme fielen herunter, ihr ganzer Körper schmerzte. »Ace, hast du einen Gefriertransporter?«
    »Ja, damit befördern wir Lukes Hochseilausrüstung und den Kran, der mich hochzieht, wenn ich gefesselt in einer Zwangsjacke stecke. Warum?«
    »Sorg dafür, dass du den Laster während des Hurrikans in der Nähe des Hauses hast. Du wirst ihn brauchen, um Menschen in verschiedenen Bereichen der Insel zu retten.«
    Und einer dieser Bereiche, dachte sie, war ihre eigene Wohngegend.
    »Wir bleiben also.«
    »Auf dem Pfad, den ich gerade gesehen habe, ja.«
    »Überstehen wir den Sturm?«
    Taten sie das? Sie verspürte eine schnelle, harte Anspannung mitten in ihrer Brust, dann hörte sie ein leises, hallendes Ja in ihrem Kopf. »Ja.«
    Ace schlang wieder seine Arme um sie. Er umarmte sie erneut, dann trat er zurück, nahm ihre Hand und küsste ihren Handrücken. »Für jemand wie dich könnte ich sogar hetero werden, Mira. Danke, danke …«
    Er tänzelte rückwärts durch den Gang, drehte sich um und eilte dann zur Tür, er schnippte mit den Fingern und wiegte die Hüften in einem Rhythmus, den nur er hören konnte.
    Mira lehnte weiter am Buchregal, die Arme um ihre Hüfte geschlungen, und fragte sich, warum sie die Wahlmöglichkeiten bei anderen Menschen wahrnehmen konnte, nicht aber bei sich selbst.

5
    Als Annie, ihre Mutter, Shep und alle anderen die Stelle erreichten, wo der Hummer in die Luft gegangen war, hatte das Morgenlicht die Farbe von Remoulade, die Luft war ruhig, und es roch nach verbrannter Erde. Rauch hing im Mor-genlicht, Annie erblickte dampfende Schrottteile, schwarze Gärten, entlaubte Bäume, Baumstämme in schwarzem Dreck oder verkohlten

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